Wie Recruiter*innen vom Einstellungstest profitieren

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2021
11.3.21
26/8/2022
26/8/2022
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Leon Hauber
Ein Einstellungstest hilft Zeit zu sparen und bietet eine objektive Datengrundlage. Sie sollten ihn den Stellenbedürfnissen aber anpassen.
Inhalt

Eine der am meisten verbreiteten Auswahlmethoden im Recruiting ist der Einstellungstest. Seitdem diese Tests online angeboten werden können, ist die Kandidat*innen-Auswahl einfacher geworden – vor allem aber lassen sich recht schnell ungeeignete Bewerber*innen aussieben. Wer eine bestimmte Punktzahl nicht erreicht, fliegt automatisch raus. Für Recruiter*innen in großen Unternehmen ist das ein Segen, sie sparen damit Zeit und Geld, die Qualität der übriggebliebenen Kandidat*innen erhöht sich.

Einstellungstests werden online oder in einem Assessment-Center durchgeführt. Bei den webbasierten Tests sind es Fragen zu verschiedenen Wissensgebieten und mehr oder weniger schwere Rechenaufgaben, die gelöst werden müssen. Ein Einstellungstest in einem Assessment-Center ist meistens etwas komplexer: Neben dem Fragenkatalog kann es Rollenspiele, persönliche Gespräche und je nach Branche körperliche Tests geben (zum Beispiel bei Sicherheitsdiensten oder der Polizei). Es kann sogar vorkommen, dass man sein Fachwissen unter Beweis stellen muss. Das reicht vom Gabelstaplerfahren bis hin zu einem Schnipsel Code, den man erklären soll.

In einer Untersuchung hat Thomas Lang-von Wins, Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Münchner Bundeswehruniversität, herausgefunden, dass zwar viele Unternehmen einen Einstellungstest benutzen, bei 90 Prozent das Design aber zumindest fragwürdig war. So war bei einigen Firmen ein entscheidendes Kriterium, ob ein*e Verwandte*r bereits im gleichen Beruf gearbeitet hat oder welches Sternzeichen man hat.

Bei einem Einstellungstest wird außerdem qualitativ zwischen allgemeinem Test und psychologischem Test unterschieden. Bei ersteren wird Allgemeinwissen abgefragt, es gibt Rechenaufgaben, Sie müssen bestimmte Assoziationen verstehen und Zahlenreihen ergänzen. Bei den psychologischen Tests, die meist nachgeordnet sind, wird hingegen Ihre Person unter die Lupe genommen. Hier geht es um Charaktereigenschaften, Ihre Führungskompetenzen und wie Sie in Krisenreaktionen reagieren würden.

Was wird in einem Einstellungstest abgefragt?

Über den Einstellungstest sind viele Bücher geschrieben worden und es gibt zahllose Anbieter*innen mit Fragenkatalogen, die von 20 bis über 200 Fragen reichen. Die Länge eines solchen Tests dauert zwischen einer und drei Stunden, wobei bei längeren Tests eine Pause gemacht wird. Es ist normal, dass manche Tests nicht in der vorgegebenen Zeit beendet werden können. Länger dauernde Einstellungstests werden meistens in einem Assessment-Center im Unternehmen selbst durchgeführt.

Im allgemeinen Einstellungstest geht es fast immer um folgende Bereiche:

  • Allgemeinbildung
  • Logisches Denken
  • Mathematische Fähigkeiten
  • Sprachliche Fähigkeiten
  • Konzentrationsfähigkeit
  • Persönlichkeitstest
  • Fachbezogenes Wissen

Der Schwierigkeitsgrad der Fragen richtet sich manchmal nach der Stelle und der damit verbundenen Qualifikation. Grundsätzlich gibt es aber einen bestimmen Stamm an Fragen, die allen Teilnehmer*innen gestellt werden.

Bei der Allgemeinbildung werden z. B. Fragen nach dem politischen System der Bundesrepublik, Hauptstädten und Personen der Geschichte gestellt. Beim logischen Denken wird es schon etwas komplizierter: Hier kommen entweder Zahlenreihen ins Spiel oder es müssen bestimmte Wortreihen in eine passende Reihenfolge gebracht werden.

Die mathematischen Fähigkeiten beschränken sich in den meisten Einstellungstests auf Bruchrechnung, Multiplizieren, Dreisatz und Prozentrechnung. Man wird nur selten eine Sinuskurve berechnen müssen. Es kann aber vorkommen, dass Flächeninhalte abgefragt werden.

Die sprachlichen Fähigkeiten unterscheiden zwischen Ihrer Muttersprache und weiteren Fremdsprachen. Sie werden im Test entweder einen Text innerhalb eines kurzen Zeitraums möglichst fehlerfrei schreiben müssen. Oder Sie bekommen bestimmte Schreibweisen und Sätze zur Auswahl und müssen entscheiden, was richtig ist oder was nicht.

Die Konzentrationsfähigkeit kann über Videos abgefragt werden: Hier müssen Sie sich einen bestimmten Ablauf merken oder aber bestimmte Gegenstände. Oftmals werden Ihnen verschiedene Bilder gezeigt und dann später abgefragt, was Sie dort gesehen haben.

Auch bei allgemeinen Tests gibt es einige Fragen, bei denen es um Ihre Persönlichkeit geht. Da diese schwer zu bewerten sind, werden Sie Stärken und Schwächen benennen, Interessengebiete, Strategien im Problem und Konflikte zu lösen und wie Sie Stress am besten bewältigen.

Schließlich haben viele Firmen noch einen Teil mit fachbezogenem Wissen. Der Einstellungstest für Verwaltungsfachangestellte wird zum Beispiel nach Vorschriften, Gesetzen und Normen fragen. Bei einem Einstellungstest für Industriekaufleute werden hingegen mehr mathematische Fragen und betriebswirtschaftliche Kenntnisse abgefragt.

Einstellungstest Beispiele

Die meisten Einstellungstests bestehen aus Fragen, die zum Großteil von den meisten Menschen beantwortet werden können. Oftmals ist es eher der Zeitdruck, der eine falsche Antwort provoziert, oder Sie haben die Frage falsch verstanden. Sinn der Tests ist nicht alleine die richtige Beantwortung, sondern ob die Kandidat*innen mit dem Druck zu zurechtkommen. Sie können sich online einige Tests anschauen, die Süddeutsche Zeitung hat ein Quiz, das aus Fragen besteht, die in Online-Einstellungstests vorkommen.

Hier gibt es zum Beispiel die Frage: Löwe : Käfig = Fisch: ? und als Antwortmöglichkeiten

  • Meer
  • Wasser
  • Aquarium
  • Zoo

Ein ähnliches Beispiel ist:

„Welches der folgenden fünf Wörter passt logisch zu der Begriffsgruppe Kalb, Lamm, Ferkel?

  • Kuh
  • Fohlen
  • Löwe
  • Tier
  • Schoßhund

Oder Sie werden gefragt, welches das Wort mit der ähnlichsten Bedeutung wie „euphemistisch“ ist?

  • beschönigend
  • verfälschend
  • verschlimmernd
  • wohlwollend
  • euphorisch

Beim Geschichtswissen kommen Fragen wie: In welchem Jahrhundert wurde Friedrich Schiller geboren?

  • 16. Jahrhundert
  • 17. Jahrhundert
  • 18. Jahrhundert
  • 19. Jahrhundert

Oder Sie müssen eine kleine Matheaufgabe lösen: Was ergibt 1/4 + 2/3?

  • 1/2
  • 3/4
  • 9/10
  • 11/12

Etwas schwieriger sind Fragen zum räumlichen Vorstellungsvermögen: Hier werden Ihnen zum Beispiel Würfel gezeigt und Sie müssen beurteilen, ob sie in einen bestimmten Zwischenraum passen und wie sie gedreht werden müssen.

Im kreativen Bereich werden Ihnen Wörter gegeben, aus denen Sie sinnvolle Sätze bilden sollen. Zum Beispiel sollten Sie drei Sätze bilden, in denen Eis, Kabel und Hintertreffen vorkommen. Oder Sie bekommen eine abstrakte Figur gezeigt und sollen sie interpretieren. Hier werden oft die Zeit und die Länge der Beschreibung gemessen und als Datengrundlage genommen.

Vorbereitung auf den Einstellungstest

Es ist heute üblich, dass sich Kandidat*innen auf den Einstellungstest vorbereiten. Dazu gibt es Bücher mit hunderten von Fragen und den richtigen Antworten, Webseiten mit Testaufgaben und man kann sogar Seminare belegen, die auf diese Tests vorbereiten.

So praktisch das für die Teilnehmer*innen für die Einstellungstests ist, so problematisch kann es für Recruiter*innen werden. Denn letztlich kann ein erfolgreich bestandener Test dann nur bedeuten, dass sich jemand gut vorbereitet hat und gut im Auswendiglernen ist. Ob aber tatsächlich das Allgemeinwissen vorhanden ist, bleibt dann fraglich. Lediglich bei mathematischen und komplexen logischen Fragen sowie Testvideos und Bilderserien wird es schwer, sich vorzubereiten.

Abhilfe schaffen in diesem Fall externe Dienstleister*innen, die sich auf Tests spezialisiert haben und Datensätze verwenden, die sich nicht jeder aus dem Internet herunterladen kann.

Einstellungstests an die Bedürfnisse der Stelle anpassen

Sie sollten als Recruiter*in auf jeden Fall den Einstellungstest den Bedürfnissen der ausgeschriebenen Stelle und Ihres Unternehmens anpassen. Man kann zum Beispiel darüber streiten, ob das Geburtsjahr von Schiller wichtig ist oder wie man bei WhatsApp die Sicherheitseinstellungen ändert. Wenn sich jemand auf eine Homeoffice-Stelle bewirbt, wäre es interessanter zu wissen, was die Person bei einem Stromausfall macht oder wenn das Internet plötzlich offline ist, als eine rechteckige Fläche berechnen zu können.

Sie können heute fertige Tests kaufen und dann mit eigenen Fragen anpassen. Letztlich profitieren Kandidat*innen von spezifischen Fragen, weil das die Qualität erhöht. Niemand will eine Stelle antreten, für die zwar der Test bestanden wurde, die eigentlichen Qualifikationen aber kaum vorhanden sind. Und Sie als Recruiter*in möchten mit einem Einstellungstest ja verhindern, dass die falschen Kandidat*innen durchkommen und Ihre Fluktuation ansteigt, weil sie nach einem Monat wieder gehen.

Welche Aussagekraft haben Einstellungstests?

Ein Einstellungstest ist meistens der zweite Schritt im Recruiting, nachdem einige Kandidat*innen aufgrund der Bewerbungsschreiben bereits aussortiert wurden. Die Aussagekraft eines Tests ist nur so gut wie die Qualität der Fragen und wie stark sich der Test an den Bedürfnissen des Unternehmens orientiert.

Expert*innen wie Thomas Lang-von Wins, Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Münchner Bundeswehruniversität, raten, dass ein Test mit der Stelle zusammenhängen sollte. Außerdem sollte nach dem Test unbedingt noch ein Assessment vorgenommen werden, bei dem es zu persönlichen Gesprächen kommt. Ob das Rollenspiele sind oder einfach nur ein Gespräch, ist eher eine Frage des persönlichen Geschmacks.

Die Studienlage zum Erfolg von Einstellungstests ist dünn, was daran liegt, dass es immer neue Tests gibt und Experimente in diesem Bereich schwierig sind. Es gibt aber zum Beispiel eine Arbeit von Mitchell Hoffman, Lisa B. Kahnd und Danielle Li, die Einstellungen durch Tests mit Entscheidungen von Personaler*innen verglichen haben. Die Forschenden stellen fest, dass höhere Werte bei einem Test vor der Einstellung im Durchschnitt eine längere Verweildauer der eingestellten Arbeitnehmer*innen vorhersagen.

Im Durchschnitt blieben Personen aus der Gruppe mit der höchsten Punktzahl 12 Tage länger im Einsatz als Personen aus der Gruppe mit dem nächsthöheren Ergebnis. Diejenigen in der zweithöchsten Gruppe hatten wiederum eine durchschnittliche Zeit im Job, die 17 Tage länger war als diejenigen in der Gruppe mit den niedrigsten Punktzahlen. Das sind zwar recht kurze Zeiten, bezogen sich aber auf amerikanische Verhältnisse, in denen Jobs gerade im Niedriglohnsektor sehr häufig gewechselt werden.

Der Trend geht aber eindeutig zu weniger Fakten und mehr logischem Denken, Empathie und anderen Soft Skills. Die Persönlichkeit ist wichtiger als jemand, der ein Geschichtsbuch auswendig gelernt hat. Sie wollen wissen, wie Bewerber*innen ticken, welche Persönlichkeit sie haben und ob sie ein Cultural Fit sind. Deshalb sollte Ihr Test auf jeden Fall Fragen zur Persönlichkeit enthalten.

Fragen im Einstellungstest zur Persönlichkeit

An Persönlichkeitstests mangelt es ebenso wenig wie an Einstellungstests, aber hier gibt es zumindest Modelle, die von Psycholog*innen entwickelt wurden und sich weitgehend etabliert haben. Eines dieser Modelle sind die Big Five.

Die fünf in der Theorie beschriebenen allgemeinen Persönlichkeitsmerkmale sind:

  • Extraversion (oft Extroversion)
  • Verträglichkeit
  • Offenheit
  • Gewissenhaftigkeit
  • Neurotizismus oder Resilienz

Viele Tests orientieren sich an diesen Eigenschaften und fragen sie ab. Einige Fragen, die auf einem frei verfügbaren Test des Openpsychometrics-Projekts (auf Englisch) beruhen, können sein:

  • Ich bin der Mittelpunkt bei jeder Party.
  • Ich mache mir wenig Sorgen um andere.
  • Ich bin immer vorbereitet.
  • Ich werde leicht gestresst.
  • Ich habe ein sehr breites Wissen.
  • Ich rede nicht viel.
  • Ich interessiere mich für Menschen.
  • Ich bin nicht sehr ordentlich, weiß aber, wo alles liegt.
  • Ich bin die meiste Zeit entspannt.
  • Ich habe Schwierigkeiten, abstrakte Ideen zu verstehen.
  • Ich fühle mich wohl mit Menschen.
  • Ich streite gerne.
  • Ich achte auf Details.
  • Ich mache mir Sorgen um die Welt.
  • Ich habe eine lebhafte Phantasie.
  • Ich bleibe gerne im Hintergrund.
  • Ich bin sehr mitfühlend.
  • Ich mag gerne mal ein wenig Chaos anrichten.
  • Ich bin selten traurig.
  • Ich bin kein großer Fan von Büchern und Kultur.
  • Ich beginne Gespräche gerne von mir aus.
  • Ich lasse Menschen auf mich zugehen.

Diese Fragen werden in fünf Stufen beantwortet, von "Stimme zu" bis "Stimme nicht zu". Sie werden dann den fünf Persönlichkeits-Kategorien entsprechend ausgewertet. Wichtig ist, dass es bei den persönlichen Fragen in Einstellungstests kein richtig oder falsch gibt. Wenn Sie jemanden für den Verkauf suchen, ist eine extrovertierte Person, die gerne mit anderen spricht, wichtig. In der Buchhaltung brauchen Sie Menschen, die sorgfältig sind, nicht leicht abgelenkt werden und gerne Ordnung halten.

Einstellungstest – Vorteile für Recruiter*innen

Ein Einstellungstest bringt für den Recruiting-Prozess einige Vorteile mit sich. Zunächst bieten Online-Tests die Möglichkeit, mit wenig Personal eine große Anzahl an Kandidat*innen zu testen. Weil ein Online Einstellungstest standardisiert ist, können die Daten miteinander verglichen werden. Die Auswahl ist damit recht einfach.

Hinzu kommt die Zeitersparnis bei der Auswertung. Das Ergebnis liegt Ihnen im Prinzip nach Beantwortung der letzten Frage bereits vor. Selbst bei Einstellungstests in einem Assessment-Center bringen die Tests eine Zeitersparnis, weil eine große Gruppe an Bewerber*innen zur gleichen Zeit den Fragebogen beantworten kann.

Es liegt im Wesentlichen an den Auswertungen der Einstellungstests, wie gut sie Ihnen helfen können. Sie können Ihnen Stärken und Schwächen der Bewerber*innen für die Stelle in wichtigen Bereichen aufzeigen. Entsprechend sollte der Einstellungstest formuliert sein. Je spezifischer es um die Aufgaben geht, umso besser können Sie die Qualifikation beurteilen. Sie können bei Anbietern von Tests zum Beispiel ein bestimmtes Test-Design beauftragen. Dann ist es möglich, bei einer Stelle im Warenlager nach dem räumlichen Vorstellungsvermögen und nach organisatorischen Fähigkeiten zu fragen, bei einer Stelle als Programmierer*in hingegen nach Teamfähigkeit und Persönlichkeit.

Sie sollten sogar bei Führungskräften einen Einstellungstest machen. Erstens schadet das nicht, zweitens kann gerade der Persönlichkeitsteil einiges über eine Person aussagen, die man bislang nur kurz getroffen hat. Während heute fast alle Firmen einen Einstellungstest für Mitarbeiter*innen machen, wenden nur die Hälfte den Test bei Führungskräften an, sagen Studien.

Die Beratungsgesellschaft Kienbaum sieht den Grund darin, dass Top-Manager*innen schon wegen der Position mehr vertraut wird – was ein Trugschluss sein kann. Außerdem kommen sie oft auf Empfehlung und man will sich nicht die Blöße geben, dem*der Empfehlenden nicht zu vertrauen. Aber schließlich sollten Standards in einem Unternehmen ohnehin für alle gelten, das liegt in der Natur von solchen Prozessen.

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