Unconscious Bias: In 5 Schritten unbewusste Vorurteile minimieren

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03
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2022
15.3.22
25/8/2023
25/8/2023
Minuten Lesedauer
Luisa Spardel
Recruitee
Unconscious Biases können zu fehlerhaften Einschätzungen und Entscheidungen führen. Wir zeigen Ihnen, wie Sie unbewusste Vorurteile in 5 Schritten minimieren.
Inhalt

Kommt Ihnen das bekannt vor? Sie lernen jemanden kennen, entdecken viele Gemeinsamkeiten und schon erscheint der oder diejenige Ihnen gleich viel sympathischer. Das passiert ganz automatisch, ohne dass Sie darauf Einfluss nehmen können. Dieses Phänomen hat einen Namen: Unconscious Bias und bedeutet auf Deutsch sowas wie ‘unbewusste Voreingenommenheit’. 

Um schneller auf neue Informationen reagieren zu können, steckt unser Gehirn die Welt um uns herum in Schubladen. So reagieren wir ganz instinktiv auf Situationen und Menschen, denen wir begegnen. Allerdings kann dies auch zu fehlerhaften Einschätzungen und Entscheidungen führen. Besonders im Recruiting kann dies schlechte Auswirkungen haben.

Der erste Schritt zur Besserung ist, den Unconscious Bias, also die Voreingenommenheit und seinen Ursprung besser zu verstehen.

In den nachfolgenden Abschnitten erfahren Sie, welche Folgen der Unsconscious Bias haben kann, und wie Sie in fünf Schritten aktiv gegen unbewusste Denkmuster vorgehen können. 

Was ist ein Unconscious Bias?

Der englische Begriff „Bias“, auf Deutsch Vorurteil, beschreibt kognitive Verzerrungen, die zu fehlerhaften Neigungen bei der Wahrnehmung und Beurteilung von Personen oder ganzen Gruppen von Menschen führen können.

Vorurteile betreffen oft diese Charakteristiken:

  • Geschlecht
  • Alter
  • Hautfarbe
  • soziale oder ethnische Herkunft
  • sexuelle Orientierung
  • Religion oder Weltanschauung
  • Behinderung

Grundsätzlich gibt es zwei Arten von Biases: conscious (bewusst) und unconscious (unbewusst). Wir wollen uns hier mit der unbewussten Variante der Vorurteile und Voreingenommenheiten beschäftigen.

Um dies in den richtigen Kontext einzuordnen, ist es wichtig, auch weitere Begriffe zu verstehen. Diese werden oft in einem Atemzug genannt:

Stereotypen beruhen auf dem unvollständigen Wissen und Annahmen über bestimmte Gruppen von Menschen, z. B. Frauen, Männer, ältere Personen oder Behinderte.

Sie gehen mit bestimmten Erwartungen und Vorstellungen einher, wie sich Mitglieder dieser Gruppen verhalten, wie sie aussehen, sich kleiden oder welche Fähigkeiten sie haben.

Ein Stereotyp ist beispielsweise, dass Frauen schlechter einparken als Männer.

Beginnen wir Stereotypen Glauben zu schenken, dann verankern sie sich als Vorurteile. Daraufhin fangen wir an, die Mitglieder von bestimmten Gruppen negativ oder positiv zu bewerten.

Löst diese Bewertung eine Verhaltensreaktion aus, dann bezeichnet man dies als Diskriminierung. Diese kann negative Effekte, wie eine Ungleichbehandlung oder Abwertung, aber auch positive Effekte, wie eine Bevorzugung (Privilegien) haben.

Stereotypisierungen laufen häufig ganz automatisch ab, ohne dass wir es merken. Das kann zu unbewussten Diskriminierungen führen. Warum das passiert, wollen wir als Nächstes klären.

Woher kommt der Unconscious Bias?

 Die Intuition steht dem klaren Denken im Weg.

Der Nobelpreisträger Daniel Kahnemann erklärt in seinem Buch „Schnelles Denken, langsames Denken“, dass der Unconscious Bias auf die Funktionsweise unseres Gehirns zurückzuführen ist.

Wir alle haben nämlich zwei Denksysteme im Kopf:

System 1: Das Unbewusste

System 1 ist unser Autopilot, der uns durch unsere komplexe Umwelt führt. Dieses System reagiert schnell, intuitiv und instinktiv.

Dafür greift es überwiegend auf gespeicherte Erfahrungen zurück. Der Hauptteil unserer Wahrnehmungs- und Denkprozesse läuft unbewusst über dieses System ab.

Beispielsweise reagieren wir ganz automatisch im Straßenverkehr oder begrüßen andere Menschen, ohne wirklich darüber nachzudenken.

System 2: Das Bewusste

System 2 ist das logische, langsame Denken. Wir benutzen es, wenn wir uns auf etwas konzentrieren, beispielsweise, eine Rechenaufgabe oder ein wichtiges Gespräch.

Das bewusste Denken ist für unser Gehirn anstrengend. Um Ressourcen zu sparen, nutzt es lieber das System 1.

Wie das Unbewusste zu Unconscious Bias führen kann

Unser unbewusstes Denken wird von unseren Erfahrungen und den damit verbundenen Assoziationen und Emotionen geprägt. Das beeinflusst letztendlich unser Verhalten.

In der Regel verhält sich unser System 1 richtig. Manchmal kann es jedoch auch fehlerhaft sein und sogar entgegen unserer bewussten Überzeugungen und Werte ablaufen.

Zum Beispiel präferieren wir unterbewusst eher Menschen aus unserem Kulturkreis, weil wir mit diesen mehr positive Erfahrungen gemacht haben. In diesem Fall spricht man von Unconscious Bias oder auch unbewusster Voreingenommenheit.

Dies kann unerwünschte Folgen haben, wenn unsere Entscheidungen im Unternehmen dadurch beeinflusst werden.

Was sind die Folgen von Unconscious Bias?

Unbewusste Vorurteile beeinflussen uns täglich, ohne dass wir es merken. Sie entscheiden oft mit darüber, wer zum Bewerbungsgespräch eingeladen wird, wer mehr Redezeit im Meeting erhält oder wer befördert wird.

Besonders in der Personalauswahl kann das schwerwiegende Folgen haben, wenn nicht alle Talente innerhalb und außerhalb des Unternehmens chancengleich behandelt werden.

Werden bestimmte Kandidatinnen oder Kandidaten aufgrund von Sympathie oder Ähnlichkeit bevorzugt, wird eventuell nicht immer die richtige Personalentscheidung getroffen.

Wertvolle Fähigkeiten anderer werden mitunter übersehen. Die Belegschaft wird auf lange Sicht homogener, was die Innovationsfähigkeit einschränken kann.

Voreingenommenheiten treten nicht nur auf persönlicher Ebene auf. Sie können sich über einen längeren Zeitraum auch in Teams, in Unternehmenskulturen und in ganzen Gesellschaften manifestieren. So entstehen Rollenbilder, Machtstrukturen und implizite Normen.  

Ein Beispiel dafür ist die generelle Unterrepräsentation von Frauen in Führungspositionen. Eine über Jahrhunderte geprägte Rollenerwartung kann zur Barriere für Frauen werden, die im Unternehmen aufsteigen wollen.

Schleicht sich in einem Unternehmen eine vorurteilsbehaftete Kultur ein, dann hat das Auswirkungen auf die Mitarbeiterzufriedenheit und Mitarbeiterbindung.

Angestellte, die das Gefühl haben, nicht so sein zu können, wie sie wirklich sind, werden sich auf Dauer unwohl fühlen und nicht lange in der Firma bleiben. Dringt diese Voreingenommenheit nach außen, leidet das Employer Branding. Dann wird es unter Umständen schwieriger neue Talente anzuziehen.

Was kann man gegen den Unconscious Bias tun?

Zunächst scheint es, als wären wir unseren unbewussten Vorurteilen vollkommen ausgesetzt. Jedoch kann dies vermieden werden.

Wir können lernen, unsere Wahrnehmungs- und Entscheidungsmuster zu erkennen, zu hinterfragen und zu reduzieren.

Um Unconscious Bias zu reduzieren, schlägt die Plattform Anti-Bias die folgenden fünf Schritte vor:

1. Akzeptieren

Der erste Schritt ist zu akzeptieren, dass jeder eine Neigung zu Unconscious Biases hat. Das ist gewiss keine Schande, denn wir alle haben gewisse Voreingenommenheiten.

Informieren Sie sich gezielt über dieses Thema. Je mehr Sie darüber wissen, desto einfacher werden Ihnen die nächsten Schritte fallen.

2. Identifizieren

Im zweiten Schritt halten Sie nach Situationen Ausschau, in denen Entscheidungs- und Beurteilungsfehler am wahrscheinlichsten sind. Zum Beispiel, bei der Auswahl von Bewerber*innen für die nächste Runde Ihrer Personalauswahlverfahren.

Achten Sie besonders auf Faktoren wie Zeitdruck oder der Versuch des Multitasking. Diese führen zu kognitiven Belastungen und machen die bewusste Kontrolle von Vorbehalten schwerer.

3. Analysieren

Sind Sie in einer Situation, die höchstwahrscheinlich einen Unconscious Bias auslöst, können Sie bewusst analysieren, wie Sie diese wahrnehmen. Hierfür gibt es die 3-Phasen-Regel:

  • 1. Beobachten: Was sehen, lesen oder hören Sie?

Zum Beispiel: eine Bewerberin mit einem Kopftuch betritt den Raum. 

  • 2. Interpretieren: Was denken Sie? Wie ordnen Sie es zu?

Zum Beispiel: die Frau ist Muslimin.

  • 3. Bewerten: Was empfinden Sie? Welche Emotionen löst die Situation aus? Wie beurteilen und entscheiden Sie?

Zum Beispiel: die Bewerberin passt nicht in unser Unternehmen.

4. Reflektieren

Nun geht es daran, die eigenen Denkmuster zu hinterfragen:

  • Woher könnte dieses Vorurteil stammen?
  • Wo und wie haben Sie gelernt, so zu reagieren?
  • Welche Werte und Normen sind mit Ihrer Interpretation verbunden?

Wie bereits erwähnt, sind alle unsere Wahrnehmungs- und Entscheidungsprozesse von unseren Erfahrungen geprägt. Diese wurden wiederum von unserer Erziehung und der Kultur, in der wir aufgewachsen sind, bestimmt.

Außerdem spielen sowohl unsere Umwelt, in der wir leben und arbeiten, als auch die Medien eine große Rolle. Wenn wir uns bewusst machen, woher ein Vorurteil stammt, können wir eher zum nächsten Schritt übergehen.

5. Reduzieren

Sind wir uns unserer Unconscious Biases bewusst, können wir ihnen begegnen und sie reduzieren. Ein Weg ist, sich mehr Wissen zu einzelnen Themen anzueignen, um auch andere Schlüsse ziehen zu können.

Gehen Sie gezielt auf Menschen anderer Herkunft oder Glaubensrichtung zu und sprechen Sie kulturelle Unterschiede an. Mit Sicherheit werden Sie feststellen, dass sich auch viele Gemeinsamkeiten finden lassen.

Dies schafft auf Dauer einen erweiterten Erfahrungsschatz. Und dieser lässt Vorbehalte sukzessive schmelzen.

Wie kann man Unconscious Bias im Recruiting Prozess minimieren?

Unbewusste Vorurteile im eigenen Denken entgegenzuwirken ist ein wichtiger Schritt, aber oft ist Voreingenommenheit schon im gesamten Personalbeschaffungsprozess verankert.

Wir haben ein paar Ideen für Sie zusammengetragen, wie Sie gegen Unconscious Biases vorgehen können:

Decken Sie Vorurteile auf

Mithilfe von quantitativen Daten zu Einstellungen, Beförderungen und Gehältern können Sie herausfinden, wo sich die Resultate von Voreingenommenheiten zeigen.

Anonyme Mitarbeiterbefragungen können außerdem wichtige qualitative Einblicke in die Unternehmenskultur geben.

Diese Ergebnisse deuten auf die Bereiche hin, die Inklusionsarbeit nötig haben.

Gestalten Sie Stellenanzeigen inklusiver

Die Sprache Ihrer Stellenanzeigen beeinflusst, wer sich bewirbt und wer es lieber bleiben lässt. Bestimmte Formulierungen, die sich über die Jahre eingeschlichen haben, wie „Deutsch als Muttersprache“ oder „wir sind ein junges Team“, können ebenfalls als diskriminierend ausgelegt werden.

Sie sollten deshalb möglichst geschlechtsneutrale Wörter benutzen und restriktive Bedingungen entfernen, die Bewerber*innen abschrecken könnten.  

Bewerbungsunterlagen „blind“ beurteilen

Damit ist gemeint, dass Informationen wie der Name, Familienstand, Geburtsdatum, und das Bewerbungsfoto bei der Durchsicht ausgeblendet werden. 

So können Sie sich besser auf die wichtigen Qualifikationen und Fähigkeiten der Bewerber*innen konzentrieren und werden nicht von unbewussten Vorurteilen fehlgeleitet.

Schon gewusst? Mit der neuen Recruitee-Funktion Faire Bewertungen können Sie, wie der Name verrät, faire Bewertungen von Kandidat*innen gewährleisten.

Denn, durch den Einsatz von Faire Bewertungen kann eine einzelne Meinung die Einstellungsentscheidung nicht beeinflussen.

Neue Bewertungen, die von anderen Teammitgliedern hinzugefügt wurden, werden dann ausgeblendet, bis die Person, die eine*n Kandidat*in noch nicht bewertet hat, eine Bewertung abgegeben hat.

Außerdem kann so Voreingenommenheit, die bei einzelen am Prozess beteiligten Teammitgliedern auftritt, minimiert werden.

Hier erfahren Sie mehr zu der neuen Funktion Faire Bewertungen.

Strukturierte Bewerbungsgespräche führen

Im Gegensatz zu freien unstrukturierten Bewerbungsgesprächen kann man bei strukturierten Interviews allen Kandidat*innen dieselben Fragen stellen.

Da die gleichen Auswahlkriterien für alle gelten, ist es einfacher, Vergleichbarkeit und Fairness zu gewährleisten. Interviews bleiben so eher objektiv und sind weniger von unbewussten Vorurteilen beeinflusst.

Mithilfe von Recruitee können Sie strukturierte Bewerbungsgespräche mit verschiedenen Arten von Bewerbungsformularen optimal vorbereiten. Aufbauend auf einem strukturierten Interviewprozess helfen vorgefertigte Bewertungsformulare, Interviewer*innen einem gleichen Bewertungsmuster zu folgen und so alle Kandidat*innen fair zu bewerten. Hier erfahren Sie mehr.

Eine Diversity Recruiting Strategie entwickeln

Dass sich Diversität in der Belegschaft lohnt, haben bereits viele Studien bestätigt. Zum Beispiel, hat die Boston Consulting Group herausgefunden, dass Unternehmen mit diversen Management-Teams im Durchschnitt 19 % mehr Umsatz machen.

Unternehmen mit einem überdurchschnittlich hohen Grad an Diversität erzielen höhere Umsätze, die auf Innovationen zurückzuführen sind.

Mit einer konkreten Strategie bei der Personalbeschaffung können Sie Diversität in Ihrem Unternehmen stärken. Hier finden Sie 12 Möglichkeiten, eine Diversity Recruiting Strategy zu etablieren.

Tipp: In unserem E-Book erfahren Sie, warum es so wichtig ist, Diversitäts- und Inklusionsmaßnahmen im Unternehmen zu etablieren.

Denn Strategien für Diversität und Inklusion am Arbeitsplatz helfen Unternehmen, sich weiterzuentwickeln, innovativ zu sein, Probleme zu lösen und effizienter zu sein.

Darüber hinaus bieten vielfältige und inklusive Arbeitsplätze den Beschäftigten ein besseres Gemeinschaftsgefühl, mehr Engagement und eine positivere Unternehmenskultur.

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