Wenn es in die heiße Phase der Vorstellungsgespräche geht, kommt oft die Frage auf: Wie stelle ich sicher, dass ich wirklich die richtige Einstellungsentscheidung treffe? Strukturierte Interviews bieten einen einheitlichen Prozess, der Ihnen dabei hilft herauszufinden, welche*r Kandidat*in am besten zum Unternehmen und zur ausgeschriebenen Stelle passt.
Leider werden während Bewerbungsgesprächen mit Kandidat*innen oft Interviewfragen gestellt, die nicht viel mit der ausgeschriebenen Stelle zu tun haben. So kann eine Einstellungsentscheidung möglicherweise falsch gefällt werden.
Mit unserem Leitfaden für strukturierte Interviews überlassen Sie in Ihrem Auswahlverfahren nichts dem Zufall.
In den folgenden Abschnitten klären wir folgende Fragen für Sie:
- Was ist ein strukturiertes Interview?
- Was sind die Vor- und Nachteile eines strukturierten Interviews?
- Welche Fragen sollten Sie in einem strukturierten Interview stellen?
- Was sind die wichtigsten Tipps zur Interviewvorbereitung und -führung?
Was ist ein strukturiertes Interview?
Ein strukturiertes Interview ist ein Bewerbungsgespräch, das nach einem vorher festgelegten Schema abläuft.
Allen Bewerber*innen werden die gleichen Fragen in etwa der gleichen Reihenfolge gestellt.
Der Fragenkatalog ist dabei genau auf das Stellenprofil abgestimmt, denn die einzelnen Fragen zielen darauf ab, bestimmte Kompetenzen auszutesten, die für die Stelle wichtig sind.
Beispielsweise werden Sie eine potenzielle Führungskraft nach den Erfahrungen im Bereich Mitarbeiter*innen-Führung und Konfliktmanagement fragen wollen. Für eine*n neue*n Mitarbeiter*in im Kundenservice bieten sich wiederum Fragen zum Thema Beschwerden und Problemlösung an.
Generell ist ein strukturiertes Vorstellungsgespräch für jede Art von Stelle und jede*n Kandidat*in geeignet. Sie können es sowohl bei der Auswahl von Topmanagern als auch bei der Besetzung von Praktikantenstellen nutzen. Auch Videointerviews können strukturiert geführt werden.
Was ist der Unterschied zwischen Strukturiertem Interview vs. freiem Interview?
Im Gegensatz zum strukturierten Interview steht das freie Interview. Hier entscheiden Sie frei, welche Fragen gestellt werden. So ergeben sich auch spontan Fragen während des Interviews.
Es ist daher eher mit einem normalen Gespräch zu vergleichen. Leider führt das freie Interview oft zu subjektiven Bewertungen und Entscheidungen, die mehr aus dem Bauch heraus getroffen werden.
Die Vor- und Nachteile strukturierter Interviews
Die Vorteile
Objektivität
Eine der Herausforderungen bei strukturierten Vorstellungsgesprächen ist es, die Kandidat*innen möglichst objektiv einschätzen und vergleichen zu können.
Sie bieten Vergleichbarkeit und Fairness, da die gleichen Auswahlkriterien für alle Bewerber*innen gelten.
Denn Faktoren wie Herkunft, Geschlecht, äußere Erscheinung oder Hautfarbe sollten bei der Personalauswahl naturgemäß keine Rolle spielen. Schließlich kommt es auf die Kompetenzen der Bewerber*innen an.
Allerdings können Interviewer bewusst oder unbewusst voreingenommen sein und sich Recruiter*innen oder einstellende Manager*innen von diesen Faktoren beeinflussen lassen. Genau dem können Sie mit strukturierten Interviews gegensteuern.
Struktur durch einen roten Faden
Ein weiterer Vorteil ist, dass der*die Interviewer*in einem Leitfaden folgt und so wichtige Fragen nicht vergessen werden können.
Außerdem wird bei strukturierten Interviews eine abschließende Bewertung erst vorgenommen, nachdem alle Kandidat*innen interviewt wurden, sodass vorschnelle Urteile verhindert werden.
Ein Nachteil des strukturierten Interviews
Als einzigen Nachteil können wir erwähnen, dass sich durch die festgelegte Struktur normalerweise kein natürliches Gespräch entwickeln kann.
Dadurch ist es schwerer festzustellen, ob sich eine zwischenmenschliche Sympathie oder Antipathie zwischen Kandidat*in und dem*der Interviewer*in bildet.
Was sind die besten Fragen für ein strukturiertes Interview?
Sie können zwischen mehreren Fragetypen für Ihre geplanten strukturierten Bewerbungsgespräche wählen.
Die verschiedenen Arten von Fragen eignen sich jeweils für bestimmte Stellen oder Karrierestufen der Bewerber*innen.
Die folgenden Beispiele können als Inspiration oder gar Vorlage für Ihr kommendes strukturiertes Vorstellungsgespräch dienen.
1. Die Verhaltensfragen
Verhaltensfragen zielen darauf ab, das bisherige Verhalten von Bewerber*innen und Bewerbern zu hinterfragen und zu ergründen.
Die Prämisse ist, dass vergangenes Verhalten zukünftiges Verhalten voraussagen kann. Idealerweise, möchten Sie von realen, tatsächlich eingetretenen Situationen hören, in denen die Kandidat*innen und Kandidaten entsprechend gehandelt haben.
Diese Fragen eignen sich besonders gut, wenn Sie auf Soft Skills (wie zum Beispiel Teamarbeit, Konfliktlösung oder kritisches Denken) Wert legen. Hier sind ein paar Beispiele:
- Denken Sie an eine Situation zurück, in der Sie gescheitert sind. Wie sind Sie damit umgegangen?
- Wenn Sie an mehreren Projekten gleichzeitig gearbeitet haben, wie haben Sie Ihre Arbeit priorisiert?
- Waren Sie einmal entgegengesetzter Meinung Ihres Vorgesetzten? Wie haben Sie gehandelt?
- Waren Sie schon mal in der Situation, dass Ihre Kolleg*innen und Kollegen nicht mit Ihrer Vorgehensweise einverstanden waren? Wie haben Sie darauf reagiert?
2. Die situativen Fragen
Mit situativen Fragen können Sie herausfinden, wie sich die Kandidat*innen und Kandidaten in konkreten (wenn auch fiktiven) Situationen verhalten würden.
Da diese Fragen zukunftsorientiert sind, eignen sie sich besonders für Auszubildende, Studierende, und Young Professionals, die über noch keine nennenswerten Vorerfahrungen verfügen.
Der Vorteil ist, dass Sie Herausforderungen und Konfliktsituationen, die tatsächlich auf die Kandidat*innen in dieser Stelle zukommen können, vorstellen können. Hier sind ein paar Beispiele:
- Stellen Sie sich vor, ein Kunde beschwert sich bei Ihnen am Telefon über eine verspätete Lieferung der Ware. Wie gehen Sie damit um?
- Betreffend einer neuen Initiative ist Ihr Team geteilter Meinung. Wie treffen Sie eine Entscheidung?
- Sie erfahren, dass eine*r Ihrer Mitarbeiter*innen einen Großkunden verärgert hat und dieser jetzt damit droht den Auftrag zu kündigen. Wie lösen Sie die Situation auf?
3. Die biografischen Fragen
Diese Fragen gehen besonders auf die berufliche Vergangenheit der Bewerber*innen ein und spüren darin Situationen auf, die für die aktuelle Stelle relevant sind.
Sie können schon vor Gesprächsbeginn im Lebenslauf der Kandidat*in oder des Kandidaten diese Situationen markieren. Hier ein paar Beispiele:
- Erzählen Sie mir von einer Zeit, in der Sie eine wirklich schwierige Aufgabe lösen mussten. Begleiten Sie mich durch Ihren Prozess, die Schritte und Handlungen, die Sie unternommen haben, um die Aufgabe zu lösen.
- Mussten Sie schon mal jemanden leiten oder waren Sie für die Ergebnisse der Arbeit einer anderen Person verantwortlich? Wie sind Sie mit der Situation umgegangen?
Diese Fragen werden besonders gern bei erfahrenen Führungskräften angewendet, um vergangenen Verhaltensweisen auf den Grund zu gehen.
Da jeder Lebenslauf natürlich unterschiedlich ist, werden die Fragen variieren und es wird schwieriger, die Kandidat*innen und Kandidaten miteinander zu vergleichen.
Suchen Sie nach noch mehr Inspiration? Hier finden Sie die besten Interviewfragen für Vorstellungsgespräche.
Wie ist ein strukturiertes Interview aufgebaut?
Generell dauert ein Vorstellungsgespräch zwischen 45 und 60 Minuten. Wenn potenzielle neue Führungskräfte interviewt werden, kann das auch mehrere Stunden in Anspruch nehmen.
Je höher das Karrierelevel, desto mehr Zeit sollte eingeplant werden, um die Kandidat*innen und Kandidaten wirklich gut kennenzulernen.
Ein strukturiertes Interview lässt sich in diese fünf groben Phasen unterteilen:
1. Small Talk
Begrüßung
Nach der Begrüßung und der Versorgung mit Getränken, können Sie ein paar zwanglose Fragen stellen, um warmzuwerden.
Ice Breaker
Mit einem „Haben Sie gut zu uns gefunden?” lässt sich die erste Nervosität der Kandidat*innen und Kandidaten meist überwinden.
Vorstellung des*der Interviewer*in
Natürlich sollten Sie sich selbst vorstellen und einen Ausblick auf den Gesprächsverlauf und die Dauer geben.
2. Kennenlernphase
Dies ist der Einstieg in den Hauptteil des Gesprächs. Sie könnten die Kandidat*innen bitten, ihren Lebenslauf mit eigenen Worten wiederzugeben und so einen ersten Eindruck zu gewinnen.
Auch die Frage „Warum haben Sie sich auf diese Stelle beworben?” ist hier üblich, um die Motivation der Bewerber*innen zu testen.
3. Das eigentliche Interview (Diagnose)
Nun stellen Sie die vorher festgelegten, strukturierten Interviewfragen.
Um Vergleichbarkeit zu gewährleisten, sollten alle Bewerber*innen und Bewerbern die gleichen Fragen in der gleichen Reihenfolge beantworten.
4. Rückfragen
Hier geben Sie den Kandidat*innen die Chance, selbst Fragen zum Unternehmen und zur ausgeschriebenen Stelle zu stellen.
Kandidat*innen, die sich gut vorbereitet haben, sollten schon einige Fragen parat haben. Das zeigt, dass sie sich mit der Stellenausschreibung und dem Unternehmen beschäftigt haben und interessiert sind.
5. Abschluss
Zum Abschluss des Gesprächs sollten Sie die Kandidat*innen über die nächsten Schritte im Bewerbungsprozess informieren.
Zum Beispiel, wann die Kandidat*innen spätestens mit Feedback rechnen können, und ob es eine weitere Gesprächsrunde geben wird.
Die wichtigsten Tipps zur Interviewvorbereitung und -führung
Nachdem Sie erfahren haben, was ein strukturiertes Interview ist, welche Interviewfragen Sie stellen können, und wie es aufgebaut ist, haben wir jetzt die wichtigsten Tipps für die Vorbereitung und Führung von strukturierten Bewerbungsgesprächen zusammengestellt.
1. Den Fragenkatalog abstimmen
Jede Interviewfrage, die Sie stellen, sollte ihren Sinn und Zweck haben und zu einem Ziel führen. Sie können damit beginnen, zu entscheiden, welche Kompetenzen für die ausgeschriebene Stelle wichtig sind.
Zum Beispiel Teamarbeit oder Kommunikation mit unterschiedlichen Ebenen im Unternehmen. Danach überlegen Sie, mit welcher Frage Sie jede Kompetenz am besten prüfen können.
Sind Fragen zum vergangenen Verhalten besser geeignet oder lieber situative Fragen? Am Ende sollten Sie einen soliden Fragenkatalog haben, der die komplette Stelle abdeckt.
2. Das Bewertungsschema festlegen
Um Subjektivität in der Bewertung zu reduzieren und Vergleichbarkeit zu gewährleisten, sollten Sie definieren, wie eine gute bzw. eine schlechte Antwort auf eine Interviewfrage aussieht.
Überlege Sie sich, was Ihre ideale Antwort auf eine Frage wäre. Kommen die Kandidat*innen und Kandidaten auf die gleiche Antwort, haben sie die Anforderungen erfüllt.
Eventuell hören Sie aber auch eine noch bessere oder eine eher schlechtere Antwort.
3. Die Antworten protokollieren
Damit alle Gespräche objektiv ausgewertet werden können, sollten Sie die Möglichkeit haben, alle Antworten schnell zu protokollieren.
Mit einem vorgefertigten Bewertungsformular für Interviews können Sie die Antworten schnell einstufen und mit einer Benotung versehen.
Außerdem ist es von Vorteil einige Notizen zu machen, um Gesagtes, das besonders heraussticht (positiv oder negativ) festzuhalten.
Bei Recruitee können Sie ganz einfach wiederverwendbare Vorlagen für die Kandidatenevaluation erstellen.
4. Die Auswertung
Mit der Auswertung sollten Sie idealerweise erst beginnen, nachdem alle Interviews abgeschlossen sind. So vermeiden Sie vorzeitige, subjektive Entscheidungen.
Dabei sollte die Benotung als Erstes eine Rolle spielen. Falls sich hierbei nicht eindeutig ein*e Kandidat*in an die Spitze setzt, können die Notizen helfen, weitere Nuancen aufzudecken, um die besten Kandidat*innen und Kandidaten auszuwählen.
Jetzt sind Sie am Zug
Strukturierte Interviews zu implementieren, kann viele Vorteile mit sich bringen. Sie können sicher sein, dass nicht persönliche Vorlieben oder das Bauchgefühl entscheiden, sondern objektiv festgelegte Kriterien.
Eine methodische Herangehensweise kann auch einen positiven Eindruck bei den Kandidat*innen hinterlassen und die Professionalität des Unternehmens unterstreichen.
Am Ende wollen Sie schließlich den*die Kandidat*in auswählen, der*die am besten zum Unternehmen und zur Stelle passt.
Mit unserem Leitfaden für strukturierte Interviews können Sie Ihrem Ziel einen Schritt näher kommen.
Falls Ihnen das noch nicht genügt, können Sie auch auf unsere Tipps für ungewöhnliche Interviewfragen zurückgreifen, um das wahre Gesicht Ihrer Kandidat*innen zu enthüllen.