Ob Fachkräftemangel oder hohe Fluktuation: Mitarbeiter*innen im Unternehmen zu halten ist heute eine wichtige Aufgabe des Personalmanagements. Wer bleibt, wird meist gute Gründe dafür haben, die motivieren und letztlich zu mehr Produktivität führen. Das Mitarbeiter*innen-Engagement trägt entscheidend zum Unternehmenserfolg bei.
Das Jahr 1990 stellt einen Wendepunkt im Verständnis der Belegschaft als Produktivitätsfaktor dar. In diesem Jahr lobten Wirtschaftsmagazine noch Jack Welch, Chef des Giganten General Electric dafür, dass er sein Personal pro Jahr um zehn Prozent reduzierte. Im gleichen Jahr veröffentlichte Professor Dr. William A. Kahn von der Boston University’s Questrom School of Business einen aufsehenerregenden Artikel: Er legte dar, dass Mitarbeiter*innen die Produktivität nicht alleine steigern, weil sie ein Gehalt bekommen oder die passenden Qualifikationen haben. Vielmehr spielt eine entscheidende Rolle, wie sie sich bei der Arbeit fühlen.
Professor Dr. Kahn war der Erste, der davon sprach, dass Mitarbeiter*innen-Engagement ein bedeutender Faktor in den Human Resources ist. Das Ausmaß dieses Faktors ist groß: Eine Studie des Marktforschungsunternehmens Gallup hat ergeben, dass 70 % der Arbeitnehmer*innen in den USA kein Engagement zeigen und innerlich aufgegeben haben. In Deutschland sieht die Lage nur etwas besser aus. Der Gallup Engagement Index Deutschland 2019 fand heraus, dass von 100 Beschäftigten 15 Personen eine hohe emotionale Bindung haben, 69 Personen eine geringe emotionale Bindung und 16 Personen keine emotionale Bindung haben. Die Umfrage unter 1.000 repräsentativ ausgesuchten Arbeitnehmer*innen zeigt, dass in Sachen Engagement und emotionale Bindung Handlungsbedarf besteht.
Mitarbeiter*innen-Engagement bezieht sich auf konkrete Aufgaben und Jobs
Damit Sie den Begriff Mitarbeiter*innen-Engagement besser verstehen, kann das berühmte Beispiel des Putzmanns helfen, der einst bei der Nasa dem US-Präsidenten John F. Kennedy begegnete. Auf die Frage des Präsidenten, was er denn hier mache, soll er geantwortet haben: “Ich helfe, den ersten Menschen auf den Mond zu bringen.” Damit jemand eine so einfache Tätigkeit so motiviert ausführen kann, muss er Engagement in seinem Job zeigen. Arbeitszufriedenheit und Motivation sind ebenfalls wichtige Faktoren, aber die bilden nur die Grundlage für das Engagement in der konkreten Aufgabe.
Das Mitarbeiter*innen-Engagement beschreibt, wie Beschäftigte ihre Motivation tatsächlich umsetzen, also wie aktiv sie bei der Sache sind, mit welcher Begeisterung sie den Job machen und ob sie zum Beispiel in der Lage sind, Höchstleistungen zu erbringen.
Gerade bei repetitiven Aufgaben ist Mitarbeiter*innen-Engagement ein bedeutender Produktionsfaktor: Wer mit Spaß und Freude dabei ist, produziert mehr und schneller. Das zeigen zahlreiche Studien. Eine der oft zitierten Arbeiten stammt von Michael S. Christian, Adela S. Garza und Jerele E. Slaughter, die aufzeigten, wie wichtig Engagement als eigene Messgröße ist.
In ihrem Modell gibt es drei wichtige Größen, die das Engagement der Mitarbeiter*innen beeinflussen:
- Arbeitsplatz und Arbeitsumgebung
- die Führung
- die eigene Persönlichkeit
Da Sie selbst an der Persönlichkeit der Angestellten nicht viel ändern können, sind es nach diesem Modell die anderen beiden Faktoren, die maßgeblich zum Mitarbeiter*innen-Engagement beitragen.
Arbeitsplatz als Motivationsfaktor
Ein Arbeitsplatz ist mehr als nur ein Schreibtisch, ein Stuhl und ein Computer oder eine Werkbank. Entscheidend dafür, dass wir uns wohlfühlen, ist, wer neben uns sitzt, wie der Raum gestaltet ist, wie laut oder leise es ist, ob und wie wir uns bewegen können. Wer morgens ins Büro oder in eine Produktionshalle kommt und sich auf seinen Job freut, bringt Engagement mit.
Zum Arbeitsplatz gehören übrigens ebenso die Kolleg*innen. Bei der “Bevölkerungsbefragung Arbeitsmotivation 2018 der ManpowerGroup Deutschland” waren 46 Prozent der Antworten, dass ein gutes Verhältnis zu Kolleg*innen und Vorgesetzten wichtig sei und 30 Prozent ein gutes Verhältnis zu Kolleg*innen über die Arbeit hinaus. Zusammen mit flexiblen Arbeitszeiten waren dies die drei wichtigsten Gründe für die Motivation.
In der Zusammenfassung heißt es zur Frage, wie Motivation und Engagement gesteigert werden können: “Eine angenehme und kollegiale Arbeitsatmosphäre sowie flexible Arbeitszeiten verstärken die Arbeitsmotivation am meisten” und “Wichtiger als Geld: Ein inhaltlich spannender Job in einem netten Team”.
Gute Führung begeistert Menschen
Neben diesen äußeren Faktoren spielt die Führung eine große Rolle. Das können Sie jedes Jahr in der Fußballbundesliga sehen, wenn ein Verein eine*n Trainer*in entlässt. Der Grund liegt meist darin, dass die Person nicht mehr in der Lage war, die Mannschaft ausreichend zu engagieren. Motivation alleine reicht nicht aus, denn sie muss immer auf die konkrete Tätigkeit umgesetzt werden. Und hier zeigt sich wahre Führung.
Die Belegschaft mit einer mitreißenden Rede auf der Betriebsfeier zu begeistern ist eine Sache. Aber wie zeigt sich das wenige Tage später in der Buchhaltung, wo jeden Tag Stundenzettel in den Computer eingegeben werden? In der ManPower-Umfrage stimmten 65 Prozent dieser Aussage zu: “Nette Kollegen und die Inhalte meiner Arbeit sind mir wichtiger als ein prall gefülltes Konto am Monatsende.” Die Inhalte der Arbeit werden aber von der Geschäftsführung und den Vorgesetzten festgelegt.
Warum Mitarbeiter*innen-Engagement wichtig für Ihr Unternehmen ist
Die Zahlen der Gallup-Studie sind alarmierend: Von den emotional stark gebundenen Befragten sagen 91 Prozent, dass sie in einem Jahr noch beim Unternehmen bleiben wollen. Bei den wenig und gar nicht gebundenen Gruppen sinkt diese Zahl auf 75 und 45 Prozent. Zusammengerechnet bedeutet das: Ein Großteil der Belegschaft ist bereit, eine Firma zu verlassen. In absoluten Zahlen ausgedrückt: Über sechs Millionen Beschäftigte haben innerlich gekündigt. Das Gallup-Team beziffert den volkswirtschaftlichen Schaden auf 102 Milliarden Euro pro Jahr.
Wenn Sie diese Zahlen auf Ihre Firma umrechnen, können Sie sich ungefähr vorstellen, welche Auswirkungen das Mitarbeiter*innen-Engagement auf die Kosten fürs Recruiting hat, aber ebenso auf die Produktivität. Wem seine Arbeit weitgehend egal ist und wer nur wegen des Geldes ins Büro kommt, bringt keine ausreichende Leistung. Diese kommt nur von Mitarbeiter*innen, die für ihre Aufgaben brennen und dafür alles geben wollen.
Wie können Sie das Mitarbeiter*innen-Engagement fördern?
Der direkte Einfluss der Geschäftsführung auf das Engagement der Mitarbeiter*innen ist begrenzt. Denn Sie können als Führung zwar den Rahmen vorgeben, die tatsächliche Motivation entsteht aber am Arbeitsplatz selbst. Hier werden die Aufgaben verteilt, hier wird die Umgebung geschaffen, in der gearbeitet wird. Das bedeutet, dass ein Großteil der Förderung auf den unteren Ebenen der Mitarbeiter*innen-Führung geschieht.
Rahmenbedingungen schaffen
Dennoch gibt es einige Grundlagen, die Ihr Unternehmen schaffen kann, damit das Personal Spaß an seiner Tätigkeit hat. Zu diesen gehören:
- Eine positive Unternehmenskultur, die Menschen einbindet und in der sie aufblühen können
- Eine professionelle Fehlerkultur, in der aus Fehlern gelernt wird
- Eine Team-Struktur, in denen Aufgaben gemeinsam bearbeitet werden
- Diversität und Vielfältigkeit im Unternehmen, weil das immer wieder Abwechslung bringt
Die Führungsarbeit beim Mitarbeiter*innen-Engagement
Vorgesetzte können Mitarbeiter*innen dadurch motivieren, dass sie ihnen die besten Bedingungen schaffen. Sie können zwar durch Kompetenz Menschen überzeugen, aber das Engagement für die Arbeit kommt aus der Tätigkeit heraus. Zu den Arbeitsbedingungen, die Sie schaffen können, gehören:
Offene Türen
Mitarbeiter*innen sollten jederzeit die Möglichkeit haben, mit ihren Vorgesetzten sprechen zu können, ohne gleich einen Termin auszumachen. Das ist gerade auf den unteren Ebenen wichtig.
Neue Aufgaben
Niemand macht gerne eine monotone Arbeit. Da aber manchmal solche Arbeiten eben anfallen, sollten Sie als Führungskraft solche Arbeiten immer wieder neu verteilen. Im Personalmanagement können Führungskräfte entsprechend geschult werden, wie sie Mitarbeiter*innen immer wieder neue Aufgaben geben können.
Feedback vor Ort
Wenn Mitarbeiter*innen das Gefühl haben, aktiv an der Gestaltung und Veränderung ihres Unternehmens beteiligt zu sein, sind sie engagierter. Kurze und einfache Feedback-Wege helfen, Fehler zu finden, Verbesserungen anzunehmen und Ideen weiterzugeben.
Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen
Im digitalen Zeitalter lernen wir ein Leben lang. Beschäftigte haben das verstanden, aber noch nicht alle Firmen. Umfragen wie die von Gallup zeigen, dass die Initiative noch immer von Angestellten kommt. Eine pro-aktive Weiterbildungspolitik im Unternehmen hat positive Effekte.
Wie kann Mitarbeiter*innen-Engagement gemessen werden?
Mit Mitarbeiter*innen-Befragungen können Sie zu einem gewissen Grad die Motivation und die Arbeitszufriedenheit messen. Das sind wichtige Basisdaten, aber sie bilden nicht unbedingt das Engagement ab. Hierzu können Sie einen auf diesen Bereich zugeschnittenen Fragebogen einführen. Darin können Sie folgende Dinge abfragen:
Quantitative Fragen (mit Bewertungsskala, zum Beispiel 1–5, oder Ja/Nein)
- Wie groß ist die Motivation, jeden Tag zur Arbeit zu gehen?
- Arbeiten Sie mehr, als Sie müssten, weil Sie es gerne machen?
- Wie ist das Verhältnis zu den Vorgesetzten?
- Wie ist das professionelle Verhältnis zu Kolleg*innen?
- Wie ist das private Verhältnis zu Kolleg*innen?
- Gibt es private oder andere Kontakte zu anderen Mitarbeiter*innen aus dem Unternehmen, selbst wenn man nicht direkt zusammenarbeitet?
- Wie sehr sind Sie mit Ihrer Arbeit am Unternehmenserfolg direkt beteiligt?
- Ist das Gehalt dem Einsatz entsprechend angemessen?
- Bietet das Unternehmen ausreichend Zusatzleistungen wie Sportangebote, Sprachen lernen?
- Wäre es für das Unternehmen ein Nachteil, wenn Sie kündigen würden?
- Ist Ihre Tätigkeit wichtig für die Produkte/Dienstleistungen, die Sie anbieten?
- Sind Sie stolz auf Ihre Tätigkeit?
Qualitative Fragen mit Textantworten:
- Welche Zusatzleistungen wünschen Sie sich?
- Was motiviert Sie jeden Tag an Ihrem Arbeitsplatz?
- Was macht Ihnen an Ihrer Arbeit besonders Spaß?
- Was fehlt Ihnen an Ihrem Arbeitsplatz?
- Was waren die drei besten Momente/Erfolge die Sie bislang im Unternehmen hatten?
In der Regel werden Umfragen anonym durchgeführt, und bei quantitativen Fragen ist das kein Problem. Bei den Fragen mit Textantworten können Sie zum Beispiel anbieten, dass die Beantwortung freiwillig ist und übersprungen werden kann oder dass die Antworten vertraulich behandelt werden. Sie können diese Fragen übrigens sogar in ein Mitarbeiter*innen-Gespräch einbauen. Befragt werden sollten alle Stufen in einem Unternehmen, von der Putzkraft bis zur Geschäftsführung.
10 Tipps, wie Sie Ihr Mitarbeiter*innen-Engagement sofort verbessern können
Sie können noch heute damit anfangen, engagiertere Mitarbeiter*innen zu bekommen, wenn Sie diese einfachen Tipps beherzigen. Einige werden nicht sofort einen Erfolg zeigen, weil sie Zeit brauchen, bis sie bei allen angekommen sind. Andere können Sie sofort umsetzen.
1. Wöchentlicher Rundgang
Einmal in der Woche gehen Führungskräfte durch die Firma und sprechen mit den Angestellten, wie es ihnen gefällt, was gut ist und was verbessert werden kann. Die Antworten werden notiert, ein Protokoll und ein Aktionsplan werden im Intranet veröffentlicht. In der aktuellen Zeit kann der Rundgang durch wöchentliche Zoom- oder Teams-Meetings ersetzt werden.
2. Flexible Arbeitszeiten und Homeoffice einführen
Geht nicht gibt’s nicht, das hat die Corona-Pandemie auch dem letzten Unternehmen gezeigt, das sich gegen Homeoffice wehrte. Versuchen Sie, so flexibel wie möglich zu sein, wenn Mitarbeiter*innen das wünschen und es möglich ist.
3. Gemeinsame Aktivitäten
Von Teambuilding über interne Konferenzen, alles was Mitarbeiter*innen zusammenbringt, bindet sie stärker, motiviert sie und steigert das Engagement.
4. Danke sagen
Vorgesetzte können sich nicht oft genug bei Mitarbeiter*innen bedanken. Wichtig hierbei: Für eine bestimmte Tätigkeit, eine gelöste Aufgabe oder ein beendetes Projekt konkret bedanken. Und das am besten persönlich, am Arbeitsplatz.
5. Positive Beispiele zeigen
Sie können Ihre Mitarbeiter*innen für sich selbst sprechen lassen, zum Beispiel in kleinen Videobotschaften, warum es ihnen bei Ihnen so gefällt und was ihnen am meisten Spaß macht. Lassen Sie sie diese Videos selbst erstellen und im Intranet veröffentlichen, damit es authentisch ist.
6. Feedback ernst nehmen
Noch immer werden Vorschläge und Kritik in Unternehmen nicht ausreichend ernst genommen und weitergegeben. Ständige Verbesserung bindet Mitarbeiter*innen ein. Wichtig: Auf jedes Feedback muss es eine Rückmeldung geben, dass es angekommen ist. Einmal im Monat sollten der Belegschaft Vorschläge mitgeteilt werden und wie daran gearbeitet wird.
7. Diversität
Nicht umsonst sprechen besonders engagierte Mitarbeiter*innen oft davon, dass ihre Firma ihre zweite Familie ist. Dazu gehören aber viele ältere Angestellte, von denen sie lernen können, junge Talente, die sie fördern können, sowie Vielfalt, was Geschlecht und Kulturen angeht.
8. Moderne Arbeitsplätze
Wer eine moderne Ausstattung hat und damit hervorragende Leistungen bringen kann, wird das mit Stolz nach draußen tragen. Damit verbessern Sie nicht nur Ihr Employer Branding und Ihre Reputation. Stolze Mitarbeiter*innen zeigen naturgemäß mehr Engagement.
9. Regelmäßige Umfragen
Versuchen Sie, monatlich oder einmal im Quartal die Zufriedenheit Ihrer Mitarbeiter*innen abzufragen. Das können kurze Online-Umfragen sein, aber sie sind ein gutes Barometer für Sie, wie es um ihre Laune und Stimmung bestellt ist.
10. Analysieren Sie Ihre Daten im Personalmanagement
Da Sie wahrscheinlich zu einem gewissen Maße HR- und Recruiting-Software einsetzen, sollten Sie immer die Analysen und Berichte nutzen, die sie bieten. Wenn die Fluktuation steigt, ist das ein Anzeichen für geringeres Engagement. Wenn viele Neubesetzungen über Empfehlungen aus Ihrer Belegschaft kommen, ist das ein gutes Zeichen für das Mitarbeiter*innen-Engagement.