Laut Statistischem Bundesamt zählen über 99 Prozent der Unternehmen in Deutschland zu den kleinen und mittleren Unternehmen und beschäftigen 55 Prozent aller Arbeitnehmer*innen. Obwohl viele dieser KMUs mit Fachkräftemangel zu kämpfen haben, nutzen lediglich 38 Prozent Mitarbeiterempfehlungsprogramme als Recruitingkanal – bei den Großunternehmen sind es 58 Prozent.
Tatsächlich gehören Mitarbeiterempfehlungen inzwischen jedoch zu den wichtigsten Recruitingkanälen. Entsprechende Empfehlungsprogramme sind auch Ausdruck einer entwickelten Unternehmenskultur, bei der die Mitarbeiter*innen im Mittelpunkt stehen.
Der Arbeitsmarkt hat sich gewandelt
Hatte es die Boomergeneration noch schwer, einen passenden Arbeitsplatz zu finden, stehen Unternehmen heute ihrerseits vor der Herausforderung, geeignete Fachkräfte aufzuspüren. Das Recruiting hat daher insgesamt enorm an Stellenwert gewonnen, denn Unternehmen müssen sich aktiv um passende Kandidat*innen bemühen.
Laut einer Untersuchung des amerikanischen Unternehmens Careerbuilder bestätigen 81 Prozent der Arbeitgeber*innen, dass ihre Mitarbeiterempfehlungsprogramme ihr bestes Investment waren. Eine Studie, die im Journal of Labor Economics veröffentlicht wurde, fand heraus: „Die Daten von einem Call Center haben uns gezeigt, dass durch die Empfehlungen Mitarbeiter*innen gefunden wurden, die mehr leisteten als andere.“
Mitarbeiterempfehlungen besonders für die Generation Z
Wenn Sie zu den KMUs gehören, die vor allem jüngere Talente anziehen wollen, sollten Sie besonders auf ein attraktives Mitarbeiterempfehlungsprogramm setzen: Eine aktuelle Studie der Universität Bamberg konnte zeigen, dass 23,7 Prozent der Generation Y und bereits 33 Prozent der Generation Z ihren aktuellen Arbeitsplatz über Mitarbeiterempfehlungen gefunden haben.
IT-Berater*innen setzen auf Mitarbeiterempfehlungen
Siegfried Bauer ist Head of HR Marketing, Recruiting und Sourcing des IT-Beratungshauses msg. Das Unternehmen mit 7500 Mitarbeitenden ist eines der größten IT-Beratungs- und Systemintegrationsunternehmen in Deutschland. Bauer verwendet datenbasiertes Recruiting, bei den die einzelnen Recruiting-Kanäle mit KPIs verglichen werden. Dabei hat er beispielsweise festgestellt, dass die Mitarbeiterempfehlung mittlerweile der effizienteste Recruiting-Kanal innerhalb der msg ist.
Wie funktioniert die Mitarbeiterempfehlung?
Wenn Beschäftigte Personen aus ihrem Netzwerk oder ihrem privaten Umfeld auf offene Positionen im Unternehmen hinweisen und diese sich daraufhin bewerben, spricht man von Mitarbeiterempfehlung. Wurde das früher eher dem Zufall bzw. dem Engagement Einzelner überlassen, setzen sich heute Mitarbeiterempfehlungsprogramme immer mehr durch, die diese Form des Recruitings sinnvoll strukturieren und verwalten.
Wenn es einen klaren Prozess und entsprechende Anreize gibt, werden Mitarbeiter*innen gerne Freund*innen und Bekannte vorschlagen.
Voraussetzungen für erfolgreiche Mitarbeiterempfehlungsprogramme
Eine Benchmark-Studie von Radancy machte deutlich, dass zwar viele Unternehmen bereits Mitarbeiterempfehlungsprogramme nutzen. Doch nur etwas mehr als vier Prozent stellen mehr als ein Viertel aller Beschäftigten über Empfehlungen ein.
Das zeigt, dass für erfolgreiche Mitarbeiterempfehlungsprogramme einige Faktoren berücksichtigt werden müssen:
Mitarbeiterzufriedenheit
Nur zufriedene Mitarbeiter*innen werden Ihr Unternehmen und offene Positionen auch gerne weiterempfehlen. Bevor Sie sich an die Etablierung eines Mitarbeiterempfehlungsprogramms machen, stellen Sie durch geeignete Employer-Branding-Maßnahmen sicher, dass Ihre Beschäftigten gerne für Sie arbeiten.
Daher ist es wichtig, regelmäßig Feedback-Interviews zu führen und anonyme Mitarbeiterbefragungen durchzuführen, um frühzeitig eventuellen Handlungsbedarf zu erkennen. Behalten Sie außerdem die gängigen Bewertungsportale wie Kununu oder Glassdoor im Auge, denn auch dort können Sie wertvolle Hinweise erhalten.
Kommunikation
Das Empfehlungsprogramm sollte auf allen Ebenen bekannt gemacht werden – und zwar wiederholt und regelmäßig. Sonst gerät es mitunter in Vergessenheit, und neue Mitarbeiter*innen wissen vielleicht gar nichts von seiner Existenz.
Zudem ist es erforderlich, dass offene Stellen zeitnah kommuniziert werden. Manchmal kann auch die direkte Ansprache von Mitarbeitenden helfen, die in ähnlichen Positionen arbeiten. Sie kennen über ihr professionelles Netzwerk häufig geeignete Kandidat*innen, die möglicherweise nicht aktiv auf Jobsuche, aber für attraktive Angebote offen sind.
Anreize schaffen
Mitarbeiter*innen zu belohnen, falls eine Empfehlung zu einer Anstellung führt, kann die Popularität eines Mitarbeiterempfehlungsprogramms steigern. Dabei gibt es jedoch einiges zu beachten:
- Feste Regelungen: Ihre Mitarbeitenden müssen wissen, wann und wie bzw. in welcher Höhe ihre Empfehlung vergütet wird. Bedenken Sie, dass Geldprämien versteuert werden müssen. Erlebnisgutscheine oder hochwertige Sachprämien, die Sie den Beschäftigten zur Auswahl stellen, werden auch gerne akzeptiert. Der Cara-Pflegedienst macht sein Mitarbeiterempfehlungsprogramm und die entsprechenden Regelungen sogar öffentlich.
- Unkomplizierter Prozess: Je einfacher Sie die Teilnahme an Ihrem Mitarbeiterempfehlungsprogramm gestalten, desto eher werden Ihre Beschäftigten mitmachen. Schaffen Sie also verschiedene Möglichkeiten, offene Positionen in sozialen Netzwerken, per Messenger oder E-Mail zu teilen und den Empfehlungsgeber*innen zuordnen zu können.
- Status-Benachrichtigung und Feedback: Sorgen Sie dafür, dass die Mitarbeiter*innen über den aktuellen Stand der Bewerbung informiert bleiben. Denn wenn Empfehlungsgeber*innen das Gefühl haben, dass ihre Empfehlung im Sand verläuft, werden sie sich wahrscheinlich in Zukunft nicht mehr die Mühe machen. Auch ein persönliches Dankeschön für eine erfolgreiche Vermittlung zeigt Ihre Wertschätzung für die Empfehlung durch Ihre Beschäftigten.
- Erfolgsmessung: Definieren Sie Kennzahlen, um den Erfolg Ihres Mitarbeiterempfehlungsprogramms messen zu können, wie zum Beispiel die Anzahl der Empfehlungen pro Stellentyp, die Anzahl der auf Empfehlungen eintreffenden Bewerbungen und natürlich auch die Anzahl der tatsächlich erfolgten Anstellungen sowie der Beschäftigungsdauer.
- Gamification: Ein relativ neuer Trend beim Einsatz von Mitarbeiterempfehlungsprogrammen sind spielerische Elemente, die als Incentive dienen können, wie zum Beispiel auch bei Recruitee. Hier sammeln die Beschäftigten zum Beispiel für jede Empfehlung Punkte, was im Intranet bzw. über die HR-Software veröffentlicht wird und einen zusätzlichen Anreiz bieten kann. Auch unternehmensinterne Verlosungen von hochwertigen Preisen für Empfehlungsgeber*innen können das Programm bekannter machen und für höhere Beteiligung sorgen.
Interessanterweise stehen laut der bereits erwähnten Studie der Universität Bamberg Geldanreize für viele Beschäftigte gar nicht im Vordergrund, wenn sie ihr Unternehmen weiterempfehlen. Vielmehr nennen 66,8 Prozent der Befragten als Grund für ihre Empfehlung, dass sie den Kandidat*innen einen Vorteil verschaffen wollen. Und 59,4 Prozent wollen gerne, dass auch ihr Unternehmen von der Empfehlung profitiert.
Das kann also auch darauf hinweisen, dass Anreize, die emotional aufgeladen sind, wesentlich länger in Erinnerung bleiben, nicht nur bei Empfehlungsgeber*innen, sondern auch bei den Kolleg*innen. Denn von dem besonderen Wellness-Wochenende, dem Konzert oder dem hochklassigen Fußballspiel wird eher erzählt als von einer Geldprämie – und damit auch für das Mitarbeiterempfehlungsprogramm geworben.
Vor- und Nachteile der Mitarbeiterempfehlung
In den zahlreichen Studien zum Thema Mitarbeiterempfehlungsprogramm werden vor allem die positiven Effekte betont:
Klare Vorteile
- Zeitersparnis: Wer seine Mitarbeiter*innen auffordert, bei der Stellenbesetzung zu helfen, spart Zeit. Die Zeit zwischen der Bewerbung und der Einstellung liegt nach einer US-Studie bei empfohlenen Kandidat*innen bei 29 Tagen, bei einem traditionellen Bewerbungsprozess über Jobbörsen bei 39 Tagen.
- Höhere Einstellungsrate: Bewerber*innen, die empfohlen werden, haben eine deutlich höhere Chance auf Einstellung. Das bedeutet für Unternehmen letztlich, dass auch die Qualität der Jobsuchenden höher ist.
- Kostenersparnis: Wer über seine Belegschaft geeignete Kandidat*innen findet, muss keine Anzeigen in Jobbörsen schalten oder Headhunter beauftragen. Auch kann der Bewerbungsprozess beschleunigt werden, wenn entsprechende Prozesse vorhanden sind.
- Schneller Return of Investment: Da die Kosten einer Stellenbesetzung durch Mitarbeiterempfehlungen geringer sind, sinkt auch das Investment oder die Cost-per-Hire. Gleichzeitig ist die Qualität höher, was sich in der Produktivität des*der neuen Mitarbeiter*in ausdrückt.
- Höhere Loyalität: Wer sich über Freunde oder Bekannte auf eine Stelle bewirbt, wird sich dieser Person verpflichtet fühlen. Außerdem wissen die Bewerber*innen meist schon einiges über das Unternehmen, für das sie sich bewerben. Es gibt aber auch einen Loyalitätseffekt für die Empfehlenden. Bei LinkedIn fand man in einer Mitarbeiterempfehlungs-Studie heraus, dass Mitarbeiter*innen, die Empfehlungen gegeben haben, selbst loyaler zum Unternehmen sind.
- Vorteile fürs Betriebsklima: Wer sich über eine Empfehlung auf eine Stelle bewirbt, kennt oft schon die Abläufe im Unternehmen und die Kultur, die dort vorhanden sind. Es gibt bereits eine positive Bindung zu einem*einer bestehenden Mitarbeiter*in. Das kann die Hürden für die Eingewöhnung senken. Die über Vorschläge gewonnenen Angestellten fügen sich schneller ein.
Mögliche Nachteile
Kein Recruiting-Tool ist perfekt, und deshalb kann auch die Mitarbeiterempfehlung Nachteile haben. Diese können Sie jedoch vermeiden, wenn Ihnen die Gefahr bewusst ist:
- Klüngel: Gerade dort, wo Einstellungsprozesse nicht formalisiert sind, besteht die Gefahr, dass sich ein Klüngel bildet. Dann werden Mitarbeiter*innen nur über ihre Beziehung eingestellt. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist beispielsweise der Fall JP Morgan in China. Das Unternehmen ist 2013 in die Negativschlagzeilen geraten, als US-Behörden die chinesischen Geschäfte der Bank untersuchten. Es bestand der Verdacht, dass ein Programm eingeführt wurde, um die Kinder einflussreicher Chines*innen einzustellen, um im Gegenzug lukrative Aufträge zu ergattern.
- Vorbehalte: Dass eine Person über eine Empfehlung an die Position gekommen ist, kann von den übrigen Teammitgliedern auch zu deren Nachteil ausgelegt werden. Daher ist es wichtig, dass auch Kandidat*innen, die durch Empfehlungen ins Unternehmen kommen, den üblichen Bewerbungsprozess durchlaufen und ihre Qualifikation nachweisen müssen.
- Bestechung: Es gibt Stellen, für die ein*e Bewerber*in alles geben würde, um sie zu bekommen. Das kann sich auch in der Bestechung von Mitarbeiter*innen ausdrücken. Mit einem prämienbasierten Empfehlungssystem kann HR hier jedoch gegensteuern.
- Subjektivität: Gerade beim Thema Diversität besteht die Gefahr, dass „Gleiches Gleiches empfiehlt“. Männer neigen zum Beispiel dazu, wieder Männer zu empfehlen, was dem Wunsch nach mehr Frauen im Unternehmen zuwiderlaufen kann. Daher sollten Auswahlverfahren eingesetzt werden, die objektive Messkriterien berücksichtigen.
Mitarbeiterempfehlungsprogramme sind nur ein Kanal im Recruiting
Ein professionelles Recruiting setzt nie nur auf einen Kanal. Denn auch wenn die Vorteile Ihres eigenen Personals als Headhunter auf der Hand liegen, erreichen Sie auch darüber wahrscheinlich nicht alle möglichen Kandidat*innen. Eine ausgefeilte Recruitingstrategie hilft dabei, die Kanäle zu identifizieren, die für Ihr Unternehmen bzw. für die Art der ausgeschriebenen Position besonders Erfolg versprechend sind.