Wie eine flache Hierarchie Ihrem Unternehmen nutzen kann

Zuletzt aktualisiert:
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2021
12.5.21
9/6/2022
9/6/2022
Minuten Lesedauer
Luisa Spardel
Recruitee
Erfahren Sie, welchen Vorteil und Nachteil eine flache Hierarchie mitbringt, für welche Firmen sich diese Struktur eignet und was der Umsetzung oft im Weg steht.
Inhalt

Eine flache Hierarchie ist längst nicht mehr nur bei jungen Startups beliebt. Immer mehr weltweit etablierte Firmen setzen auf diese neue Unternehmensstruktur. Dafür gibt es gute Gründe, denn der Wegfall von Hierarchiestufen bringt viele Vorteile mit sich. Während Mitarbeiter*innen verantwortungsvoller und selbstbestimmter arbeiten, kann das Unternehmen schneller und flexibler auf sich verändernde Bedingungen reagieren.

Sind Sie an diesem Konzept interessiert? Dann erfahren Sie hier, was flache Hierarchien auszeichnet, wie sie sich von der herkömmlichen Organisationsstruktur unterscheiden und welche Vorteile und Herausforderungen sie mitbringen. Wir erklären außerdem, für welche Firmen sich eine flache Struktur eignet und was der Veränderung dahin oft im Weg steht.

Was ist eine flache Hierarchie? Die Definition

Eine flache Hierarchie ist eine Form der Aufbauorganisation eines Unternehmens und beschreibt, wie eine Firma strukturiert ist. Eine flache Hierarchie ist eine Organisationsstruktur mit wenigen Hierarchiestufen. Im Englischen wird sie als flat hierarchy, horizontal organization oder flat organization bezeichnet.

Was zeichnet eine flache Hierarchie aus?

Der Wegfall von Hierarchiestufen ist nicht das einzige Merkmal einer flachen Organisationsstruktur. Meistens gehen damit viele weitere Aspekte einher, die das Arbeiten im Unternehmen beeinflussen:

Eine vereinfachte Unternehmensstruktur bedeutet zunächst weniger Führungsebenen. Das heißt, dass die einzelnen Mitarbeiter*innen einen größeren Handlungsspielraum haben. In diesem treffen sie ihre eigenen Entscheidungen und übernehmen Verantwortung. Dabei müssen sie aber auch mehr Eigeninitiative zeigen und zur Selbstorganisation fähig sein.

Entscheidungen, die außerhalb des Verantwortungsbereichs des*der Einzelnen liegen, gehen in einer flachen Hierarchie durch weniger Instanzen und werden im Endeffekt schneller getroffen. Die Kommunikationswege sind kürzer. Dadurch lässt sich flexibler auf Veränderungen reagieren. Oft wird auch die ganze Belegschaft in wichtige Entscheidungen mit eingebunden, die das gesamte Unternehmen betreffen.

Firmen ohne starre Hierarchie organisieren auch oft ihre Büroräume anders. Die räumliche Trennung zwischen der Geschäftsführung und den Arbeitskräften fällt weg. Stattdessen arbeiten alle zusammen in offenen Raumflächen, die eine direkte Kommunikation und einen offenen Austausch ermöglichen. Hinzu kommt meistens ein kollegiales Miteinander und ein familiärer Umgangston.

Wer das Konzept noch eine Stufe weiter denken möchte, kann hier mehr über die Unternehmensstruktur Holacracy erfahren.

Was ist das Gegenteil zur flachen Hierarchie?

Das Gegenteil ist die traditionelle steile Hierarchie, welche wie eine Pyramide aufgebaut ist. An der Spitze befindet sich die Unternehmensführung, die entscheidet, was getan werden muss. Darunter folgen Abteilungsleiter*in oder Teamleiter*in, die die Anweisungen an die Belegschaft weitergeben. Das Fundament bilden die Arbeitskräfte, die die Arbeit ausführen.

Die Verantwortung für Entscheidungen und Handlungsinitiativen bündelt sich in der Führungsriege. Innovationen und Impulse kommen meist nur von oben. Die Belegschaft ist lediglich für die Umsetzung von Anordnungen zuständig und hat meist keine eigene Entscheidungsgewalt.

Der Vorteil ist, dass die Arbeitsabläufe in hierarchischen Unternehmen klaren Vorgaben folgen, die für Stabilität sorgen. Sie profitieren von langfristiger Planungssicherheit. Die Kehrseite dieser teils opulenten Unternehmensstrukturen ist, dass die Firma im Falle von Veränderungen und wichtigen Entscheidungen sehr träge agiert. Schließlich müssen Entscheidungen erst von zahlreichen Instanzen abgesegnet werden.

Was bringen flache Hierarchien?

Unternehmen, die bewusst auf Hierarchiestufen verzichten, können die folgenden Vorteile genießen:

  • Schnelle Entscheidungsfindung: In einer flachen Hierarchie gelangen Informationen schneller von „unten nach oben“. Wichtige Entscheidungen können deutlich schneller getroffen werden.
  • Mehr Flexibilität: Wenn sich der Großteil der Belegschaft auf einer Ebene befindet, ist es leichter Teams für anstehende Projekte zusammenzustellen. Es muss nicht erst mit verschiedenen Abteilungsleiter*innen verhandelt werden, ob sie ihre Mitarbeiter*innen entbehren könnten.
  • Höhere Reaktionsgeschwindigkeit: Durch direkte Kommunikation und flexible Prozesse können Unternehmen schneller auf sich verändernde Bedingungen am Markt reagieren. So bleiben sie auf Dauer agil und konkurrenzfähig.
  • Steigende Innovationsleistung: In einer Studie von Kienbaum und Stepstone bewerteten 61 % der befragten Führungs- und Fachkräfte Unternehmen mit flachen Hierarchien als innovativ. Nur 33 % waren der Meinung, dass stark hierarchische Firmen innovativ sein können.
  • Weniger Personalkosten: Da es weniger Führungskräfte im Unternehmen gibt, fallen auch deren üppige Gehälter und mit den Positionen verbundene Zusatzleistungen wie Dienstwägen weg. Diese Einsparungen kann die Firma für Maßnahmen nutzen, von denen die gesamte Belegschaft profitiert (z. B. kostenloses Mittagessen, Sportprogramme).

Auch die Belegschaft kann von vielfältigen Vorteilen der flachen Unternehmensstruktur profitieren:

  • Besseres Arbeitsklima: Ein kollegialer Umgangston und Gespräche auf Augenhöhe sorgen für eine entspannte Arbeitsatmosphäre. Auch Konkurrenzdenken und Streitigkeiten über die nächste Beförderung sind eher selten.
  • Förderung der einzelnen Mitarbeiter*innen: In einer flachen Hierarchie übernimmt der*die Einzelne mehr Verantwortung, kann selbst bestimmen, wie die Arbeit ausgeführt wird und sich dadurch besser entfalten. Dadurch üben die Arbeitskräfte wichtige Fähigkeiten wie Selbstorganisation.
  • Mehr Mitarbeiter*innen-Zufriedenheit: Die Möglichkeiten zur Selbstbestimmung und persönlichen Entfaltung gepaart mit einem familiären Umgang wirken sich tendenziell positiv auf die Mitarbeiter*innen-Zufriedenheit aus.
  • Gestiegene Mitarbeiter*innen-Bindung: Flache Hierarchien ermöglichen mehr Mitgestaltungsmöglichkeiten für die Angestellten. Dadurch können Sie sich leichter mit dem Unternehmen identifizieren und bleiben tendenziell länger.

4 Herausforderungen in flachen Hierarchien

Wir wollen natürlich nicht verschweigen, dass eine flache Organisationsstruktur auch mit gewissen Herausforderungen verbunden ist. Dies sind die vier Hauptprobleme, die Firmen im Auge behalten müssen.

#1 Veränderte Führungsarbeit

In einer flachen Hierarchie hat die Führungsebene tendenziell die Leitung über viel mehr Personen als in einer steilen Hierarchie, in der die Organisation in kleine Einheiten heruntergebrochen ist. Das bedeutet, dass die Führungskräfte einen anderen, zum Teil ungewohnten, Führungsstil übernehmen müssen.

Da es für sie unmöglich wird, in alle Entscheidungen eingebunden zu werden, müssen Führungskräfte Kontrolle aufgeben und mehr Vertrauen zu ihren Teams aufbauen. Statt Anweisungen zu geben, werden sie zu Coaches, die Teams bei der gemeinsamen Lösungsfindung helfen.

#2 Ganz ohne Führung geht es nicht

An dieser Stelle ist zu erwähnen, dass auch Unternehmen mit einer flachen Organisationsstruktur nicht ganz ohne verantwortungsvolle Führungskraft auskommen. Jemand muss die Vision des Unternehmens im Auge behalten und die Firma in die richtige Richtung lenken. Es muss auch mindestens eine Person geben, die das letzte Wort hat, wenn sich die Mitarbeiter*innen nicht einigen können.

#3 Weniger Aufstiegschancen

Gibt es weniger Hierarchiestufen, gibt es auch weniger Möglichkeiten sich innerhalb des Unternehmens weiterzuentwickeln. Ambitionierte Talente, die nach oben streben, könnten dadurch irgendwann die Motivation verlieren und die Firma verlassen.

Um das zu verhindern, gilt es innerhalb der Organisationsebene Möglichkeiten zur Personalentwicklung zu schaffen. Wechselnde Projekte, Job Rotation oder Job Enrichment und Job Enlargement sind hier Ansatzpunkte.

#4 Komplexe Aufgabenverteilung

Wer welche Tätigkeiten übernimmt, ist in einer flachen Hierarchie nicht immer offensichtlich, besonders wenn neue Aufgaben hinzukommen. Wird diese Entscheidung allein der Belegschaft überlassen, besteht die Gefahr, dass die Aufgabenverteilung ins Ungleichgewicht gerät. Manche Arbeitskräfte müssen dann mehr schultern als andere, da sie sich im entscheidenden Moment nicht durchsetzen konnten.

Damit dies auf Dauer nicht zu Unmut und Unzufriedenheit in der Belegschaft führt, ist eine offene Kommunikation nötig. So können Probleme frühzeitig aufgedeckt und gemeinsam gelöst werden.

Für welche Unternehmen eignet sich eine flache Hierarchie?

Eine Umfrage unter Fach- und Führungskräften ergab, dass über zwei Drittel der Befragten nach wie vor in eher hierarchischen Unternehmen arbeiten. Nur 11 % berichteten von flachen Hierarchien bei ihrem*ihrer Arbeitgeber*in. Klassischerweise präferieren mittlere und große Unternehmen eine steile Hierarchie, während kleine Firmen bis zu 100 Mitarbeitern eher eine flache Organisationsstruktur bevorzugen.

Also ist die flache Hierarchie nur für kleine Unternehmen und Startups geeignet? Der australische Arbeitsforscher Tim Kastelle ist anderer Meinung. Seiner Ansicht nach kann eine flache Hierarchie überall funktionieren und ist besonders erfolgreich, wenn folgendes zutrifft:

  • Das Umfeld verändert sich ständig: Firmen, die in kleinen, selbständig arbeitenden Teams organisiert sind, sind wesentlich reaktionsschneller und wendiger. Sie können viel schneller auf Veränderungen reagieren.
  • Innovation ist ein Wettbewerbsfaktor: Arbeitet das Unternehmen in einem Markt, in dem es sich ständig neu erfinden muss, um zu überleben, dann wird es mit einer flachen Hierarchie erfolgreicher sein.
  • Eine klare Vision durchzieht das Unternehmen: An einem gemeinsamen Ziel zu arbeiten, fördert die Einsatzbereitschaft der Belegschaft. Das ist besonders in Krisenzeiten wichtig.

Eine Veränderung der Hierarchie ist nicht einfach

Interessanterweise glaubten die befragten Fach- und Führungskräfte in der Studie von Kienbaum und Stepstone nicht, dass ihr Unternehmen mit der aktuellen Organisationsstruktur in Zukunft erfolgreich sein wird. Gleichzeitig planten aber auch nur sehr wenige Unternehmen eine Reorganisation. Wie passt das zusammen?

Es liegt nicht daran, dass das Konzept der flachen Organisationsstruktur und deren Vorteile nicht bekannt sind. Es gibt viele Fallstudien, die beschreiben, wie Unternehmen mit flachen Hierarchien erfolgreich sind. Leider stehen einer Reorganisation oft viele Hindernisse im Weg, die in vielen Firmen unüberwindbar scheinen.

Die steile Hierarchie hat sich als „normale“ Organisationsstruktur über Jahrzehnte hinweg etabliert. Das Machtgefälle zwischen Führungsebene und Arbeiter*innen ist akzeptiert und viele Arbeitgeber*innen und -nehmer*innen können sich eine Alternative kaum vorstellen. Dazu kommt die Angst vor dem Ungewöhnlichen und Veränderungen an sich.  

Etablierte Unternehmen, die den Schritt zur flachen Hierarchie wagen, tun dies nicht immer freiwillig. Oft ist die Veränderung aus einer Existenzkrise heraus geboren, die ein vollkommenes Umdenken erfordert. Ihre Firma muss allerdings nicht auf eine Extremsituation warten, um zu reagieren. Mit einem klaren Ziel vor Augen klappt die Umstellung.

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