Warum ist Körpersprache beim Vorstellungsgespräch so wichtig?

Zuletzt aktualisiert:
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05
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2019
24.5.19
13/12/2021
13/12/2021
Minuten Lesedauer
Tamara Karg
Die Körpersprache von Kandidaten/innen während eines Vorstellungsgespräches kann einem viel über diejenige/denjenigen sagen. Wir erklären warum!
Inhalt

Nachdem du unsere zahlreichen Features erfolgreich angewandt hast, folgt schon bald darauf das erste Vorstellungsgespräch. Während man den Lebenslauf und das Portfolio des Kandidatens objektiv beurteilen kann, ist die Beurteilung der Körpersprache während des Interviews nicht so einfach. Prof. Albert Mehrabian, ein Pionier in Sachen Körpersprache und nonverbaler Kommunikation, fand heraus, dass die Bedeutung einer gesprochenen Aussage von Gefühlen und Gesinnungen zu 55 % durch Mimik und Gestik bestimmt wird, 38 % durch die Stimme und 7 % durch Worte. Dies ist die sogenannte 7-38-55-Regel.

Nicht nur die Augen sind das Tor zur Seele, auch Atmung, Hände und allgemeine Körperhaltung sind alle Indikatoren, an denen man die Charakterzüge eines Menschen erkennen kann. Während Unwahrheiten im Lebenslauf oder bei der Auflistung der persönlichen Stärken oftmals leicht unentdeckt bleiben, ist es für die meisten Menschen schwer ihre Körpersprache kurzfristig zu ändern.

Die Augen

Die Augen machen einen enorm großen Anteil der menschlichen Mimik aus. Wenn der befragte Kandidat/die befragte Kandidatin nicht gerade mit einer verspiegelten Sonnenbrille zum Vorstellungsgespräch aufkreuzt, sind die Blicksignale generell sehr gut zu erkennen und leicht deutbar. Sie geben sehr viel über momentane Gefühle und Gedanken preis, ob man es will oder nicht. Augen können Neugier, Desinteresse, Freude oder Zustimmung zeigen, oder auch fragend, zweifelnd oder ablehnend wirken.

Wenn ein/e Kandidat/in zum Beispiel während einer Aussage nach rechts blickt, könnte dies eventuell ein Zeichen für Irreführung sein. Blickt der/die Kandidat/in jedoch bei der Abrufung bisheriger Berufserfahrungen nach links, ist dies eher ein Zeichen der Ehrlichkeit. Dennoch sollte auch ein gesundes Ausmaß an Augenkontakt in einem Vorstellungsgespräch zwischen den Kandidaten/Kandidatinnen und dem Interviewer herrschen. Augenkontakt ist nämlich ein wichtiges Indiz für Selbstbewusstsein. Wenig Augenkontakt zeigt, dass sich der/die Kandidat/in unwohl fühlt. Angenehmer Augenkontakt, der nicht zu lange dauert, zeigt jedoch Selbstsicherheit und, dass man sich im Interview generell wohlfühlt.

Wenn eine/e Kandidat/in jedoch unheimlich lange in die Augen des Interviewers starrt, probiert dieser wahrscheinlich zu stark, den Interviewer von seiner gewollten Gelassenheit zu überzeugen. Selbst die Augenlider können die letztendliche Entscheidung der Rekrutierung beeinflussen.

Exzessives Blinzeln bedeutet in den meisten fällen, dass sich der/die Kandidat/in unter Druck gesetzt fühlt. Wenn ein/e Kandidat/in die Augen zusammenkneift, kann dies viele Gründe haben. Neben einer Sehschwäche könnte es sein, dass der/die Kandidat/in einfach nur versucht, sich zu konzentrieren. Es könnte allerdings auch ein Zeichen temporärer Frustration sein, wobei die Alarmglocken des Interviewers schon läuten sollten.

Der Mund

Der Mund sagt mehr aus, als man denken mag! Kandidat/innen wissen, dass es wichtig ist, eine positive Einstellung zu vermitteln, die Vorfreude auf zukünftige Zusammenarbeit demonstriert. Kandidat/innen werden probieren während des Interviews ein Lächeln zu erzwingen um ihre Nervosität, Sorgen oder sogar Panik nicht sichtbar zu machen. Wenn ein/e Kandidat/in gezwungen lächelt, wirkt es oft sehr oberflächlich oder ist bestenfalls eher schwer zu deuten, wie das sogenannte „Mona Lisa Lächeln“. Dieser gutgemeinte Versuch ist jedoch zu subtil.

Ein Lächeln, bei dem die Lippen dünn werden und keine Zähne gezeigt werden, ist normalerweise ein Zeichen von Zorn oder Ablehnung.  Aus einem einseitigen Lächeln, bei dem der Mundwinkel die Wange nach oben schiebt, Schlussfolgerungen zu ziehen ist jedoch sehr vage. Denn obwohl dies ein Ausdruck des Zynismus und Sarkasmus sein kann, gibt es auch viele Menschen, die von Natur aus eher asymmetrisch bzw. einseitig lächeln. Die ausgerollte, herausragende Unterlippe ist jedoch ganz klar ein Zeichen der Frustration. Bei manchen Menschen fließen Tränen, bei anderen wird Frust und Kummer über die Unterlippe zum Ausdruck gebracht.

Ein ehrliches Lächeln wird auch das Duchenne-Lächeln genannt, wie die meisten Menschen wissen, lacht man ja auch mit den Augen. Das beste Indiz für diese freundliche Mimik der Annäherung sind deutlich sichtbare Krähenfüße. Ein Resultat einer unwillkürlichen Gesichtsmuskelbewegung. Beim Lachen ist es für die meisten Interviewer einfacher ein gekünsteltes Lachen zu erkennen. Ein echtes Lachen dauert normalerweise um einiges kürzer als ein aufgezwungenes Lachen.

Die Hände

Unsere Hände können selbst die feinsten Bewegungen ausführen. Somit verleihen sie unseren Gedanken oftmals einen nuancierten Ausdruck.

Klopfende Finger sind wohl das gravierendste Warnsignal, wenn es um Gestik geht. Es ist nicht nur schlicht und einfach unhöflich, sondern gibt auch Gefühle von Langeweile, Desinteresse und Ungeduld preis.  Die Hände werden jedoch auch oft unbewusst von uns verwendet, um Aggressionen Ausdruck zu verleihen. Ohne Zusammenhang zu viel auf etwas zu zeigen oder geballte Fäuste sind offensichtliche Anzeichen für unterschwellige Aggressionen und Zorn. Wenn jemand die Hände versteckt, bedeutet dies oftmals, dass die Person auch im Inhalt ihrer Aussagen etwas zu verstecken hat – meist ein Indiz für Irreführung.

Es gibt jedoch auch eine Handvoll an positiven Handgesten, auf die man als Rekrutierer durchaus achten sollte. Wenn eine/e Kandidat/in die Fingerspitzen aneinander legt und quasi einen „Kirchturm“ mit seinen Händen bildet, denkt man schnell an Mr.Burns aus der Serie Simpsons. . Man sollte sich jedoch bewusst sein, dass dies tatsächlich ein Zeichen der Selbstsicherheit und des erhabenen Denkens ist. Diese Eigenschaften sollten idealerweise mit jenen gepaart sein, die für Offenheit, Ehrlichkeit und Positivität stehen. Nämlich offene Handzeichen, bei denen die Handinnenfläche sichtbar wird.

Einer der ersten Eindrücke, die man von dem/der Kandidat/in beim Vorstellungsgespräch bekommt, ist der Handschlag. Eine eigentlich simple Geste, die jedoch enorm viel aussagen kann. Der richtige Handschlag mag geübt sein und gehört zur Etikette eines erfolgreichen Interviews. Ein schwacher Handschlag, bei dem die Handwurzel locker bleibt, reflektiert Nervosität, während eine starker, fester Handschlag Selbstsicherheit und Gelassenheit ausdrückt. Ein eindeutig überwältigender Handschlag ist jedoch ein Zeichen einer dominanten Persönlichkeit, welche oft auch kein guter Teamplayer ist.

Körperhaltung

Auch wenn ein/e Kandidat/in die Körperhaltung bewusst relativ leicht ändern kann, kann man als Interviewer im Vorstellungsgespräch aus der Sitzhaltung und den Körperbewegungen des/der Kandidat/in so einiges deuten. Die Körperhaltung, also die Art und Weise zu gehen, zu sitzen und zu stehen gibt uns Aufschluss über die Einstellung, den Charakter und die Stimmung eines/einer Kandidaten/Kandidatin.

Offensichtlich ist ein „krummes Sitzen“ des/der Kandidat/in ein ganz klares Zeichen von Desinteresse und Arroganz, sofern er/sie eine normale Wirbelsäule besitzt. Es kann jedoch auch auf mangelndes Selbstbewusstsein und Unterwerfung hindeuten. In beiden Fällen ist es jedenfalls kein gutes Zeichen. Eine weiteres No-Go in Sachen Körperhaltung ist das Verschränken der Arme. Es deutet darauf hin, dass der/die Kandidat/in Konfrontation sucht, arrogant ist oder Langeweile verspürt. Wenn er oder sie den Oberkörper weit zurücknimmt, zeigt dies Desinteresse oder Ablehnung. Sitzt der/die Kandidat/in an der vordersten Kante des Stuhlesundumklammert mit den Händen die Lehnen, dann kann das ein Hinweis auf mangelnde Selbstsicherheit, innere Unruhe und vielleicht Misstrauen sein. Mit einer breitbeinigen, lümmelnden Sitzhaltung könnte man den/die Kandidat/in als überheblich und ignorant einschätzen. Ideale Körperhaltung eines Kandidaten bzw. einer Kandidatin ist aufrecht, locker, mit geraden Schultern und einem leicht erhobenem Kinn.

Die Atmung

Auch wenn der/die Kandidat/in sich noch so sehr bemüht, seine/ihre Körpersprache zu unterdrücken, die Atmung gibt uns subtile Hinweise darauf, was jemand wirklich fühlt.

Ein scharfes Einatmen oder kurzes, flaches Atmen könnte ein Indiz dafür sein, dass aufgrund mancher Interviewfragen unter Druck steht.

Wenn der/die Kandidat/in im Gleichklang im Vorstellungsgespräch mit dem Interviewer atmet, könnte das einerseits bedeuten, dass er oder sie sich in dessen Gegenwart sehr wohlfühlt oder aber auch, dass er oder sie sich mit dem Einsatz von Körpersprache gut auseinandergesetzt hat und versucht, mit der sogenannten Spiegeltechnik Vertrauen zu gewinnen.

Wie erkennt man bei der Rekrutierung eine/n Lügner/in?

In unserem Artikel über das Bewerberauswahlverfahren haben wir bereits veranschaulicht, wie man Inkonsistenzen anhand fehlender Referenzen erkennen kann . Doch auch die Beobachtung der Körpersprache beim Vorstellungsgespräch kann dabei helfen einen Lügner zu enttarnen. „Der Mensch kann mit dem Mund so viel lügen, wie er will – mit dem Gesicht, das er macht, sagt er stets die Wahrheit.“ – Friedrich Nietzsche wusste bereits, dass der Großteil der menschlichen Kommunikation außerhalb der Sprache abläuft.

Emotionen wie z. B. Aggression, Aufregung oder Unwohlsein kann man anhand der Körpersprache des/der Kandidat/in ablesen. Der/die Kandidat/in kann aus Angst vor Konsequenzen sein Verhalten verändern und verrät sich dabei.

Worauf sollte der Interviewer nun achten?

Sogenannte Mikroexpressionen verraten wie die Person wirklich denkt. Diese ungefilterten Gesichtsausdrücke blitzen nur für den Bruchteil einer Sekunde im Gesicht auf, bevor sie durch gesteuerte Mimik wieder verschwinden. Weiters sollte man beim Vorstellungsgespräch auf Asymmetrien (z. B. beim Lächeln oder Stirnrunzeln) achten oder auf eine Mimik, die nicht zu Ende geführt wird.

Die Dauer der Gefühlsmimik ist ebenfalls von Bedeutung. Sie sollte sich zwischen 5 und 10 Sekunden bewegen, damit sie aufrichtig wirkt. Lügner wissen auch meist genau, dass es wichtig ist, Augenkontakt zu halten, daher kann man nicht davon ausgehen, dass Lügner dem Blickkontakt ausweichen. Häufiges Blinzeln ist eher ein Hinweis darauf, dass der/die Kandidat/in gerade etwas erfindet.

Beim Interview sollte man auch darauf achten, dass Körpersprache und verbale Aussage miteinander harmonieren (z. B. Kopfschütteln bei positiver Aussage ist natürlich ein Widerspruch). Wenn sich der/die Kandidat/in öfter im Gesicht berührt, wie zum Beispiel Kratzen am Ohr oder an der Nase, ist ebenfalls Vorsicht geboten. Ein Großteil der Interviewpartner/innen, die nicht ganz ehrlich sind, sprechen mit erhöhter Stimmlage. Der Interviewer sollte eher ergebnisoffene Fragen stellen und auf die Chronologie von Schilderungen des Interviewpartners achten. Eine zurecht gelegte Geschichte ist immer sehr chronologisch und wird eher detailarm geschildert. Wenn der/die Kandidat/in auf Fragen mit Füllwörtern, Räuspern oder Auflachen reagiert, dann will er oder sie oft Zeit schinden, um sich vor der eigentlichen Aussage zu sammeln. Eine besonders gewählte Ausdrucksweise oder ausführliche Formulierungen könnten ebenfalls ein Indiz für Unwahrheiten sein.

Ganz wichtig aber ist die Intuition des Interviewers, denn ein Indiz allein ist noch kein Anzeichen dafür, dass jemand nicht ehrlich ist. Es kommt immer auf die Kombination mehrerer Zeichen an.

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