Quiet Hiring: Was bedeutet der neue Karriere-Trend?

Zuletzt aktualisiert:
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2023
4.4.23
4/4/2023
4/4/2023
Minuten Lesedauer
Xander Wegscheider
Recruitee
Nach „Quiet Quitting“ jetzt auch „Quiet Hiring“? Was verbirgt sich dahinter und welche Chancen bietet der neue HR-Trend für Ihr Unternehmen?
Inhalt

Ist „Quiet Hiring“ wirklich ein neuer Trend im HR-Bereich, oder doch nur ein bekanntest Rezept im frischen Look? Wir klären, was sich hinter dem Begriff verbirgt und untersuchen, welche Chancen sich damit für Unternehmen eröffnen. Zudem machen wir auf die rechtlichen Rahmenbedingungen aufmerksam, und Sie erfahren, wie Sie am meisten von Quiet Hiring profitieren können.

Was ist mit Quiet Hiring gemeint?

Ein neues Buzzword geistert durch die HR-Welt: „Quiet Hiring“. Das Jahr 2022 stand noch im Zeichen des „Quiet Quitting“, der Bezeichnung für eine innere Haltung, bei der Arbeitnehmende nur noch das Nötigste erledigen, ohne Ambitionen, sich als Leistungsträger zu etablieren.

Quiet Hiring, auf deutsch „stille Einstellung“, beschreibt hingegen die Praxis von Arbeitgebenden, Positionen intern neu zu besetzen bzw. Aufgaben vorübergehend oder endgültig an bestehendes Personal zu vergeben. Ein anderer Begriff dafür ist Internal Mobility oder Talentmobilität.

Auf diese Weise versuchen Unternehmen, Personallücken zu füllen, ohne Kosten für die externe Rekrutierung aufzuwenden. Laut einer aktuellen Umfrage von Monster zu Quiet Hiring kennen 80 Prozent aller Befragten das Phänomen und sind bereits mindestens einmal „still eingestellt“ worden.

Allerdings hatten 50 Prozent auch das Gefühl, dass die neue Rolle nicht ihren Kompetenzen entsprach. Die unfreiwillige Erweiterung des Aufgabenbereichs, meist zusätzlich zu den ohnehin anfallenden Tätigkeiten, kommt für Beschäftigte oft überraschend und wird häufig im Vorfeld nicht mit ihnen abgesprochen.

Lightbulb

Mehr zu den Erwartungen, die Arbeitnehmer*innen an Arbeitgebende haben, finden Sie in unserem aktuellen 

Recruiting Pulse Check 2023.

Rechtliche Rahmenbedingungen

Ein Aspekt, der beim Quiet Hiring häufig zu wenig berücksichtigt wird, sind die rechtlichen Rahmenbedingungen dafür. Denn als Arbeitgeber*in können Sie zwar von Ihrem Weisungs- oder Direktionsrecht Gebrauch machen und Mitarbeitende verpflichten, ein neues Aufgabenfeld zu übernehmen. Das gilt allerdings nur, wenn im Arbeitsvertrag durch eine knappe Tätigkeitsbeschreibung Raum für solcherart erweiterte Aufgaben existiert.

Weisen Sie neue Aufgaben zu, die durch den Arbeitsvertrag nicht gedeckt werden, müssen Sie gegebenenfalls eine Änderungsvereinbarung in Betracht ziehen. Bei entsprechenden Voraussetzungen ist sogar eine Änderungskündigung denkbar. Unter Umständen muss auch der Betriebsrat miteinbezogen werden, insbesondere dann, wenn sich das Gesamtbild der Tätigkeit durch das Hinzukommen neuer Funktionen verändert. Im Zweifelsfall kann es sich lohnen, im Vorfeld Ihre Rechtsabteilung oder eine externe Arbeitsrechtskanzlei in die Entscheidung miteinzubeziehen. 

Geben Sie klare Rahmenbedingungen vor

Weitere rechtliche Grauzonen können sich ergeben, wenn Beschäftigte Aufgaben erfüllen, die dem Profil von anderen Mitarbeitenden entsprechen, die dafür jedoch zum Beispiel Vergünstigungen wie einen Dienstwagen erhalten. Hier ist der Aspekt der Gleichbehandlung zu beachten.

Auch das Thema Budgetverantwortung und Haftung bei Misserfolgen ist beim Quiet Hiring oft rechtlich nicht eindeutig gesichert, was zu großer Verunsicherung bei den betroffenen Mitarbeiter*innen führen kann. Idealerweise beziehen Sie solche Überlegungen mit ein, bevor Sie stille Einstellungen durchführen. Denn so verlockend es sein kann, bestimmte Aufgaben durch Quiet Hiring schnell zu besetzen: Wenn Sie Ihren Mitarbeitenden keine klaren Rahmenbedingungen vorgeben, sind Unzufriedenheit und nachlassende Motivation oft die logische Folge. Und das kann nicht in Ihrem Interesse liegen. 

Welche Chancen bietet Quiet Hiring für Unternehmen?

Für Arbeitgebende klingt die Idee des Quiet Hiring jedenfalls erst einmal interessant, und tatsächlich wird sie häufig bereits praktiziert. Denn in wirtschaftlich schweren Zeiten wird oft das Personalbudget gekürzt – doch viele Aufgaben im Unternehmen müssen immer noch erledigt werden, auch wenn die Position nicht sofort besetzt werden kann. Da macht es Sinn, zunächst zu prüfen, ob manche Aufgaben nicht auch intern vergeben werden können, zumindest temporär. Für Sie als Arbeitgeber hat das viele Vorteile:

  • Kostenreduktion: Sie sparen Kosten für die Rekrutierung und das Onboarding. Denn Investitionen in Weiterbildung für einzelne Mitarbeitende sind weitaus günstiger als für eine Neubesetzung. Zudem kennen bestehende Mitarbeitende bereits alle Abläufe im Unternehmen, was die Einarbeitungszeit verkürzt.
  • Beschleunigte Einstellung: Sie können neue Positionen in der Regel schneller besetzen, weil die Kompetenz im Unternehmen bereits vorhanden ist oder in einem überschaubaren Zeitrahmen erworben werden kann.
  • Mitarbeiterzufriedenheit: Sie bieten qualifizierten Beschäftigten zusätzliche Entwicklungsmöglichkeiten. Das kann zu größerer Mitarbeiterzufriedenheit führen und die Loyalität zum Unternehmen stärken.
  • Attraktivität als Arbeitgeber: Nehmen Jobsuchende wahr, dass sie in Ihrem Unternehmen bei entsprechendem Einsatz sehr gute Karrierechancen haben, kann sich das positiv auf Ihr Image auswirken und mehr qualifizierte Bewerbungen bringen. 

Im Großen und Ganzen überwiegen also die Vorteile – allerdings nur dann, wenn Sie ein paar Spielregeln beachten. 

Viele Arbeitnehmer*innen sehen Quiet Hiring kritisch 

Denn viele Arbeitnehmer*innen stehen Quiet Hiring skeptisch gegenüber. In der bereits erwähnten Umfrage von Monster zu Quiet Hiring zeigte sich, dass 27 Prozent der Befragten in Betracht ziehen zu kündigen, und vier Prozent würden das sogar sofort tun, wenn sie still eingestellt werden sollten. 16 Prozent würden nur dann nicht kündigen, wenn die neue Position klar zeitlich begrenzt ist, und weitere 15 Prozent würden das Unternehmen nur deshalb nicht verlassen, weil sie in einer wirtschaftlich unsicheren Zeit Angst vor dem Jobverlust haben.

Auch interessant: Rund 27 Prozent der Beschäftigten vermuten, dass ihr Unternehmen kurz vor der Insolvenz oder jedenfalls in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckt, wenn „still eingestellt“ wird. Und satte 41 Prozent der Befragten geben an, dass sie ihr Unternehmen als schlecht organisiert wahrnehmen, ohne echte unternehmerische Vision, wenn auf das Mittel des Quiet Hiring zurückgegriffen wird.

Für Arbeitgebende kann das nur eins bedeuten: Kommunikation und Transparenz beim Quiet Hiring sind unabdingbar, wenn die genannten Vorteile wirklich greifen sollen. 

So setzen Sie Quiet Hiring im Unternehmen erfolgreich um

Interne und externe Personalbeschaffung bleibt eine Herausforderung für Unternehmen. Quiet Hiring kann auf jeden Fall ein wertvoller Baustein im internen Recruiting sein, doch es muss Ihnen gelingen, die Skepsis der Mitarbeitenden zu entkräften. Offene Kommunikation ist also unverzichtbar – und das heißt auch, gemeinsam mit den betroffenen Beschäftigten zu überlegen, was nötig ist, um die neue Rolle erfolgreich auszuüben. 

Vermitteln Sie durch Wort und Tat, dass Sie das erweiterte Aufgabenfeld als Vertrauensbeweis sehen, und bieten Sie neben einer finanziellen Kompensation auch ausreichend Unterstützung an, zum Beispiel durch Weiterbildung oder Training und Coaching. Mitarbeitenden ein neues Aufgabenfeld zu übertragen, ohne dafür zu sorgen, dass sie dieses auch gut bewältigen können, zahlt sich mittel- und langfristig eher nicht aus. Denn oft ist mit Überforderung und langfristig sogar mit Burnout oder anderen gesundheitlichen Folgen zu rechnen, die Ihr Unternehmen möglicherweise teuer zu stehen kommen.

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Hier erfahren Sie, wie sich Burnout erkennen und vermeiden lässt.

Burnout – Ursachen, und was Arbeitgeber tun können.

Ebenso wichtig: Klären Sie realistische berufliche Perspektiven für die Mitarbeitenden, die Sie still einstellen wollen. Denn wenn diese das Gefühl haben, nur „Lückenbüßer*innen“ zu sein, ist das zumeist wenig förderlich für Motivation und Engagement.

Umgekehrt können Mitarbeitende sich rasant entwickeln, wenn sie merken, dass ihnen mehr zugetraut wird und sie neue Kompetenzen aufbauen können. Insofern kann Quiet Hiring durchaus auch als Investition in die Zukunft Ihres Unternehmens betrachtet werden, denn Mitarbeitende, die in ihrem Potenzial gefördert werden, bleiben gerne im Unternehmen. 

Fazit: Wenn Quiet Hiring zu Quiet Quitting führt

Unter den genannten Voraussetzungen kann Quiet Hiring gut funktionieren. Mitarbeitende erfahren Wertschätzung und Feedback zu ihren vorhandenen Kompetenzen und werden beim Erwerb neuer Kompetenzen unterstützt. Das kann sich für Sie als Arbeitgeber*in vor allem auch langfristig auszahlen: durch eine hohe Loyalität und entsprechend niedrige Fluktuation. 

Tipp:

Erfahren Sie in diesem Artikel, wie Sie die Mitarbeiterbindung insgesamt vorantreiben können.

Wird Quiet Hiring jedoch vorschnell und ohne klare Zielsetzung vorgenommen, kann daraus schnell „Quiet Quitting“ werden. Ihre Beschäftigten fühlen sich überfordert, demotiviert und in ihrer Leistung nicht gewürdigt, und sie tun daher nur noch das nötigste, ohne großes Engagement zu zeigen – oder sie suchen sich gleich einen neuen Job. In Zeiten des Fachkräftemangels kann es sich eigentlich kein Unternehmen mehr leisten, die eigenen Beschäftigten so wenig zu würdigen oder gar ganz zu vertreiben. Denn das schlechte Unternehmensimage, das auf diese Weise produziert und über Bewertungsportale kommuniziert wird, verschärft das Problem mit den fehlenden Fachkräften weiter. Setzen Sie Quiet Hiring also überlegt und strategisch ein – dann kann es eine wertvolle Lösung für drängende Personalprobleme sein.

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