Fachkräftemangel: Welche Ursachen und Lösungen gibt es?

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2023
22.5.23
22/5/2023
22/5/2023
Minuten Lesedauer
Luisa Spardel
Recruitee
Wir erklären, wie Fachkräftemangel definiert wird, was die Ursachen sind und wie Sie als Unternehmen Lösungen für den Arbeitskräftemangel finden.
Inhalt

Seit Jahren ist das Wort Fachkräftemangel und vor allem der Fachkräftemangel in Deutschland Gesprächsthema in den Medien, in Talkshows und steht auch auf der Agenda vieler Unternehmen.

Wenn es um den Begriff Fachkräftemangel geht, kommt es schnell zu hitzigen Diskussionen. Unternehmen beklagen, dass das Finden von Fachkräften zum Problem wird, vor allem in bestimmten Branchen oder Regionen.

Im Folgenden erklären wir, wie genau Fachkräftemangel definiert wird, was die Gründe und Ursachen sind und wie Sie als Unternehmen Lösungen für den Arbeitskräftemangel finden können.

Was ist Fachkräftemangel?

Simpel ausgedrückt spricht man von Fachkräftemangel, wenn die Nachfrage nach spezialisierten Arbeitskräften das Angebot übersteigt. Nach Angaben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Industrie besteht das Problem vor alle in Teilen von Ostdeutschland und in Süddeutschland.

Wie bedeutend das Problem in Deutschland ist, zeigt eine Übersicht des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz. So sind schon weit über 300 (von 801) Berufsgattungen vom Fachkräftemangel betroffen. Bis 2060 soll es zudem 30% weniger Erwerbspersonen geben, was dieses Problem natürlich weiter anfeuert.

Aber der gesamte DACH-Raum ist von diesem Problem gleichermaßen betroffen. Denn allgemein sind Fachkräfte dort gesucht, wo es spezifische Kenntnisse und Fähigkeiten braucht. Firmen suchen erfahrenes Personal, das auf dem neuesten Stand der Technik ist, moderne Fertigungsmethoden kennt und in der Lage ist, sich wechselnden Bedingungen schnell anzupassen.

Es gibt drei Wirtschaftssegmente, in denen fast alle Firmen um die besten Arbeitskräfte kämpfen:

  1. Akademische Berufsgruppen wie z.B. Ingieur*innen oder Programmierer*innen
  2. Handwerk
  3. Fachleute in den MINT-Fächern (also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik)

Das deutsche Mittelstandsbarometer von EY legt dar, dass besonders Unternehmen aus den Bereichen Elektrotechnik und Chemie/Pharma sich derzeit schwer tun, neue Mitarbeitende zu finden. Schwer betroffen ist vor allem die Produktion.

Im Mittelstandsbaromter Österreich gaben mehr als vier von fünf Betrieben an, Schwierigkeiten zu haben, geeignete Fachkräfte zu finden. Damit blieb auch hier der Fachkräftemangel das Problem Nummer 1. Lediglich jeder 50. Betrieb gab an, gar keine Schwierigkeiten bei der Rekrutierung geeigneter Fachkräfte zu haben.

Warum gibt es Fachkräftemangel?

Ursachen können vielfältig sein: Veränderungen in der Wirtschaft, technologischer Fortschritt, demografischer Wandel und Bildungslücken sind nur einige der Faktoren, die dazu beitragen können. Fachkräftemangel ist nicht nur auf einen Mangel an Arbeitskräften zurückzuführen, sondern oft auch auf einen Mangel an entsprechend ausgebildeten und qualifizierten Fachkräften.

In solchen Fällen kann es für Unternehmen schwierig sein, offene Positionen zu besetzen, was zu Produktionsengpässen, erhöhten Rekrutierungskosten und vermindertem Wachstum führen kann.

1. Die Alterspyramide begünstigt den Fachkräftemangel

Die Bevölkerung in Deutschland schrumpft, und damit der Anteil der Erwerbstätigen. Viele gehen in Rente und diese erfahrenen Fachklräfte können nicht schnell genug ersetzt werden.

Berechnungen gehen davon aus, dass bis 2030 etwa 3,9 Millionen weniger Arbeitskräfte zur Verfügung stehen werden.

Hinzu kommt, dass die Geburtenrate in Deutschland zu niedrig ist, um dem Trend entgegenzuwirken.

Auch der Zuzug aus dem Ausland kann dem Fachkräftemangel momentan nicht entgegenwirken. Zwar kommen mehr Menschen zum Leben und Arbeiten nach Deutschland als das Land verlassen, aber das sind nur zu einem geringen Teil junge, gut ausgebildete Fachkräfte.

Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung sieht langfristig keinen Ausgleich durch Arbeitskräfte aus dem Ausland. In einem optimistischen Szenario geht man von 200.000 Zuwanderer*innen und einer gleichbleibenden Erwerbsquote aus.

Die annahmegemäß konstant bleibende jährliche Zuwanderung kann den demografischen Effekt zunehmend weniger kompensieren. Im Jahr 2030 zählt das Erwerbspersonenpotenzial 44,5 Mio. (-3 %) Arbeitskräfte, bis 2060 sinkt es in diesem Szenario auf 38,9 Mio. (insgesamt -15,1 % gegenüber 2015)

heißt es in einer Untersuchung des Instituts.

2. Frühes Ausscheiden aus dem Arbeitsleben

Ein weiterer Trend, der die Fachkräfte-Lücke größer werden lässt, ist das frühzeitige Ausscheiden aus dem Arbeitsleben. Das liegt größtenteils an der Rente mit 63, ein Angebot, das von vielen Fachkräften angenommen wird.

Diese Generation wird es sich noch leisten können, früh in Rente zu gehen und einen angenehmen Lebensabend zu verbringen.

Und dann gibt es noch jene Spezialist*innen aus den höheren Gehaltsgruppen, die genügend Vermögen angespart haben, um schon mit Mitte 50 auszusteigen. Dem Arbeitsmarkt stehen sie damit nicht mehr zur Verfügung.

3. Mehr Jobs mit hohen Anforderungen

Die Arbeitswelt verändert sich rasant und Menschen mit einer durchschnittlichen Ausbildung finden bald kaum noch gute Stellen.

Während das Angebot in den Niedriglohngruppen noch recht ausgeglichen ist, klafft in der Mitte ein großes Loch an Fachkräften.

Wer sich nicht ständig weitergebildet hat, wird schwieriger zu vermitteln sein. Auf der anderen Seite bedeutet eine Vielzahl an unzureichend ausgebildeten Arbeitskräften, dass Firmen entweder mit großem Aufwand nachschulen oder über das Gehalt Fachkräfte locken müssen.

4. Weniger Ausgebildete, mehr Studierte

Manche nennen es einen Fehler des Bildungssystems, dass so viele junge Menschen das Abitur anstreben und dann studieren gehen. Denn im Vergleich zu einem ausgebildeten Mechatroniker hat ein*e Betriebswirtschaftler*in trotz Bachelor keine Fachkenntnisse.

Die Branchen, die händeringend Fachleute suchen, sind das Handwerk, die Elektroindustrie und die Metallindustrie.

Wurde lange Zeit Jugendlichen ein Studium nahegelegt, sind heute die Berufschancen mit einer Ausbildung in einigen Sektoren besser.

5. Ungenügende Werbung der Verbände

Den Industrie- und Handwerksverbänden ist es in den vergangenen Jahren nur bedingt gelungen, die Fachberufe für junge Menschen attraktiv zu machen. Viele Kampagnen wirken zu bemüht, gehen an den Wünschen der jungen Menschen vorbei und bieten keine Perspektiven.

Letztlich ist auch das Image von Fachleuten im Handwerk nicht so gut wie von Ingenieur*innen, die studiert haben. 

Die Tendenz zum Studium bei gleichzeitig weniger Schulabgängern pro Jahrgang habe dazu geführt, dass es mittlerweile einen Wettbewerb um jede*n Jugendliche*n gibt. Hier fällt es immer schwerer, willige und geeignete Jugendliche für einen Ausbildungsplatz zu begeistern, beklagt das Institut für Deutsche Wirtschaft mit Blick auf den Fachkräftemangel.

6. Der Strukturwandel als Fachkräftemangel Ursache

Nur gut jede*r Dritte im Handwerk ausgebildete Mitarbeiter*in bleibt laut Studie des ifh Göttingen heute noch dem erlernten Beruf treu. Bis zum Ende der 1990er-Jahre verblieb etwa die Hälfte der im Handwerk ausgebildeten Fachkräfte im Handwerk. Heute sind es dagegen nur noch 36,5 Prozent.

Neben dem Dienstleistungssektor ist zunehmend auch wieder die Industrie größter Hauptkonkurrent im Wettbewerb um die besten Fachkräfte.

Großunternehmen und mittelständische Firmen haben das Potenzial der guten Handwerker*innen erkannt und sich die Qualifikationen gesichert.

Diese Kräfte fehlen dann in den kleineren Betrieben, die wiederum kaum noch Kapazitäten haben, auszubilden.

7. Fachkräftemangel durch Abwanderung

Während zum Beispiel im Osten Deutschlands Gemeinden die Unternehmen mit geringen Steuersätzen locken, möchten gerade junge Menschen gerne in der Nähe von Städten und in Zentren leben und arbeiten.

An den Ländergrenzen, vor allem in Süddeutschland, bieten Österreich und die Schweiz attraktive Arbeitsplätze. Und im Bereich Softwareentwicklung und IT ist die Gig-Economy ein neuer Trend: Programmierer*innen suchen sich Projekte bei Anbieter*innen im Internet aus, an denen sie freiberuflich arbeiten. Diese Projekte werden weltweit angeboten.

Was sind die Folgen des Fachkräftemangels?

Wenn Arbeitskräfte fehlen, dann müssen Unternehmen mehr aufwenden, um geeignetes Personal zu bekommen. Sie werden die Löhne und Nebenleistungen anpassen müssen.

Dort, wo derzeit Fachkräfte fehlen, sind die Löhne gestiegen. Das hat eine Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft zum Fachkräftemangel bestätigt. 

Während die Löhne in Deutschland zwischen 2013 und 2019 im Schnitt um rund 15 Prozent stiegen, lagen die Zuwächse in Branchen mit Fachkräftemangel laut IW-Studie zum Teil deutlich darüber. Beschäftigte in der Altenpflege verdienen 24 Prozent mehr als sechs Jahre zuvor.

Es sind zu einem Großteil Hochqualifizierte und Beschäftigte mit Sonderqualifikationen, die besser bezahlt werden. Dieser Trend lässt sich schon seit 2013 feststellen. Diese Mitarbeiter*innen sind auch eher bereit, für einen besseren Job den Wohnort zu wechseln. Damit bieten sie ihre Dienste bundesweit an.

Für Arbeitgeber*innen bedeutet das, sich noch mehr als bisher um die besten Arbeitskräfte zu bemühen. Eine Folge dieser Bemühungen sind in manchen Firmen gestiegene Produktionskosten oder Kosten für Dienstleistungen.

Das bringt vor allem Recruiter*innen in eine Zwickmühle: Zum einen brauchen Sie gute Leute, zum anderen sind diese immer schwieriger zu bezahlbaren Preisen zu bekommen.

Lösungen: Was kann Ihr Unternehmen gegen den Fachkräftemangel tun?

Sie werden Ihre eigene Branche nicht verändern können und schon gar nicht den demografischen Wandel.

Um beim Wettrennen um die besten Mitarbeiter*innen die Nase vorn zu haben, müssen Sie daher ein möglichst attraktives Unternehmen sein.

Denn bei Bewerbungen schauen Arbeitnehmer*innen neben der Vergütung zunehmend nach folgenden Faktoren:

Aus- und Weiterbildung

Heute spielt immer weniger eine Rolle, welche Ausbildung man formal nachweisen kann. Unternehmen brauchen Fachkräfte, die etwas können und viel Praxiserfahrung haben. Wo sie das gelernt haben, ist zweitrangig, solange sie ihren Job bestens machen können.

Für Sie bedeutet das: Sie werden innerbetriebliche Angebote machen müssen, um Ihre Mitarbeiter*innen weiterzuqualifizieren.

Denn der Grund für viele Fachkräfte, den Job zu wechseln, ist oftmals ein attraktiveres Angebot, welches auch Weiterentwicklungsmaßnahmen beinhaltet.

Tipp: Sie können beim Recruiting nach Talenten schauen, die zwar bereits Vorwissen mitbringen, aber noch nicht auf dem Stand sind, der eigentlich benötigt wird.

Eine Ressource sind z. B. Studienabbrecher*innen. Viele von ihnen wollen gerne in einen Beruf und haben sich das Studium anders vorgestellt.

Weiterempfehlungen auf Portalen und durch die eigenen Mitarbeiter

Der Einfluss auf Entscheidungsprozesse durch Bewertungsportale oder Weiterempfehlungen durch Influencer oder Bekannte ist heute so stark wie noch nie. Ob es dabei um den Kauf eines neuen Fahrrads oder die Wahl eines passenden Arbeitgebers geht, spielt dabei keine Rolle.

Eine Umfrage von Bitkom hat kürzlich untersucht, wie sehr Arbeitgeberbewertungen im Netz die Job-Wahl beeinflussen. Dabei kam beispielsweise heraus, dass

47 Prozent der Internetnutzerinnen und -nutzer sich schon einmal online über Bewertungen von Arbeitgebern informiert haben. 44 Prozent aller Befragten, die sich über Arbeitgeber informiert haben, geben an, dass das ihre Entscheidung für einen Job-Wechsel beeinflusst hat.

Eine weitere Studie durch Haufe betreffend Mitarbeiterempfehlungen hat ebenfalls positive Auswirkungen auf Kosten und Time to Hire aufgezeigt.

Mehr als die Hälfte der Befragten (57 Prozent) gibt an, dass die Qualität der empfohlenen Kandidaten hoch oder sehr hoch ist. 55 Prozent der Firmen sparen Einstellungskosten und 46 Prozent stellen empfohlene Personen innerhalb eines Monats ein.

Im Rahmen Ihrer Employer Branding Strategie sollten Sie dabei auch die Bewertungen bei den bekannten Arbeitgeberbewertungen-Portalen und Empfehlungen durch Ihre eigenen Mitarbeiter*innen nicht außer Acht lassen.

Arbeitsumfeld

Gleichzeitig sollte das Arbeitsumfeld optimal gestaltet werden. Wer sich in einer Firma wohlfühlt, wird nicht so schnell wechseln wollen wie jemand, der frustriert ist. 

Eine Umfrage durch das Institut für angewandte Sozialwissenschaft (Infas) untermauerte die Wichtigkeit des Arbeitsumfelds für Beschäftigte in Deutschland.

84 Prozent der befragten Arbeitnehmer gaben als oberste Priorität an, dass die Arbeit ein Ort sein muss, an dem sie sich "wohlfühlen" wollen.

Steigern Sie die Diversität Ihres Unternehmens

Frauen aktiv fördern. Der Anteil von Frauen an Fachkräften im aktiven Arbeitsmarkt ist viel zu gering. Dabei schlummert hier ein großes Potenzial.

Sie können zum Beispiel mit familienfreundlichen Arbeitsplätzen oder Firmenkindergärten mehr Frauen erreichen. Diese können Sie gemeinsam mit anderen Unternehmen einrichten.

Eine Firma, die sich Diversität auf die Fahnen geschrieben hat, wird ebenfalls mehr Fachkräfte anziehen können.

So gibt es immer noch ältere Arbeitnehmer*innen, die nicht mehr eingestellt werden, obwohl sie eigentlich fachlich qualifiziert sind. Diese können eine Bereicherung für Ihre Firma sein und müssen nicht mehr alles von Grund auf lernen.

Das Gleiche gilt für Menschen mit einem Handicap. Ein behindertengerechter Arbeitsplatz öffnet Ihnen den Zugang zu einem völlig neuen Markt.

Und schließlich sollten Sie Migrant*innen und ausländische Mitarbeiter*innen nicht vergessen. Viele haben in ihren Herkunftsländern eine Fachausbildung gemacht, und bekommen in Deutschland oftmals nur Niedriglohnjobs angeboten.

Zeigen Sie sich offen bei Bewerbungen und schauen Sie sich genau an, welche tatsächlichen Qualifikationen ausländische Bewerber*innen haben.

Viele sprechen zum Beispiel Englisch, sodass schon mal die Kommunikation sichergestellt ist. Wenn jemand in der Niederlassung eines deutschen Unternehmens in einem Land gearbeitet hat, das heute ein Krisengebiet ist (z. B. die Ukraine), könnte die Qualifikation untern Umständen sogar auch vorhanden sein.

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