Smarter Recruiting vs. War for Talents – Was Recruiter*innen vom Marketing lernen können

Zuletzt aktualisiert:
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2025
23.5.25
23/5/2025
23/5/2025
Minuten Lesedauer
Geschrieben von
Julia Schmidt
Tellent
Mitwirkende
Inhalt

Die Spielregeln im Recruiting haben sich geändert: Anders als früher müssen sich Recruiter*innen heute etwas einfallen lassen, um qualifizierte Bewerbungen an Land zu ziehen. Denn in vielen Branchen können sich Bewerbende den Arbeitgeber aussuchen – genau wie Kund*innen aus einer Vielzahl an Produkten und Marken wählen können. Deshalb müssen Recruiter*innen heute mehr denn je wie Marketingfachleute denken. Es geht darum, Menschen emotional anzusprechen, zu begeistern und zu überzeugen. Wie Sie das mit erprobten Marketing-Techniken erreichen, erfahren Sie in diesem Artikel. Keine Sorge: Viele dieser Techniken werden Sie kennen und vielleicht unbewusst auch schon nutzen. Wir zeigen Ihnen, wie Sie sie bewusst einsetzen und sich so einen entscheidenden Vorsprung im Wettbewerb um die besten Talente sichern.

Wählerische Kandidat*innen und hohe Wechselbereitschaft: Warum Recruiting heute anders funktioniert

Angesichts des Arbeitskräftemangels spitzt sich der War for Talents weiter zu. Das zeigen aktuelle Zahlen deutlich: Laut einer Erhebung von Statista waren im Jahr 2024 über 705.605 offene Stellen bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldet. Das entspricht einer Steigerung von rund 44 % im Vergleich zu 2014. Parallel dazu nimmt die Bindung von Mitarbeitenden an ihre Arbeitgeber ab. Nur 55 % der Befragten planen, in einem Jahr noch bei ihrem derzeitigen Unternehmen tätig zu sein.

Die Wechselbereitschaft scheint umso höher, je jünger die Mitarbeitenden sind. Darauf deutet eine Xing-Studie zur Wechselbereitschaft deutscher Arbeitnehmenden hin: Fast 50 % unter ihnen sind einer neuen Herausforderung gegenüber aufgeschlossen. Für Arbeitgeber und Recruiter*innen bedeutet das: Die Chancen steigen, Talente aus anderen Unternehmen abzuwerben, wenn es gelingt, diese gezielt anzusprechen und zu begeistern.

Doch wie gelingt die erfolgreiche Ansprache? Spitzentalente erwarten heute mehr als ein attraktives Jobangebot. 88,4 % der von Statista Befragten wünschten sich eine Stellenanzeige, die sie begeistert und ihnen überzeugende Argumente für den Job liefert. 41,2 % verglichen die Jobsuche sogar mit dem Kennenlernen eines neuen Partners: spannend, ungewiss und voller Erwartungen. Kurzum: Die Menschen möchten auch im Recruiting emotional abgeholt werden. Und genau hier kommen die Techniken aus Marketing und Verkauf ins Spiel.

5 Marketing-Techniken für mehr Erfolg im Recruiting

In diesem Abschnitt stellen wir Ihnen fünf Techniken aus dem Marketing vor, die Sie ohne großen Aufwand auf Ihren Recruiting-Prozess übertragen können. Wir zeigen auf, warum diese Technik auch bei der Suche nach Mitarbeitenden funktioniert und nennen jeweils ein Unternehmen, das die Methode mit Erfolg umgesetzt hat.

1. Branding: Mit starker Employer Brand Sichtbarkeit gewinnen

Der Begriff Employer Branding ist inzwischen schon fast überstrapaziert. Richtig eingesetzt ist er aber auch heute noch ein echter Gamechanger. Denn mit einer starken Arbeitgebermarke erzielen Sie Sichtbarkeit und Aufmerksamkeit – auch bei Talenten, die (noch) nicht aktiv auf Jobsuche sind. So entsteht eine emotionale Bindung lange bevor die Bewerbung ins Postfach flattert.

Ein gutes Beispiel liefern die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG): Mit einer Diversity-Kampagne, die echte Mitarbeitende in privaten Situationen darstellte, zeigt sich das Unternehmen authentisch, nahbar und glaubwürdig. Das Unternehmen erhielt dafür 2024 auch den renommierten Employer Branding Award DACH 2024 in den Kategorien Strategy und Attraction.

Charlène Hemery, die wir im Rahmen unseres Recruiting-Reports 2025 zum Thema Employer Branding befragt haben, meint dazu:

„Ihre Arbeitgebermarke ist mehr als ein Schaufenster – sie ist ein Spiegelbild Ihrer Unternehmenskultur und Ihrer Werte. Erzählt Ihre Karriereseite authentische Mitarbeiter-Storys, vermittelt spannende Einblicke hinter die Kulissen und klare Infos zur Position, dann weckt das Vertrauen.“
Charlène Hemery, Gründerin von TalentCatcher und ehemalige Recruiterin

2. Messaging: Mit prägnanter Message aus der Masse herausstechen

Bewerbenden geht es heute ähnlich wie Verbraucher*innen im Supermarkt: Sie werden täglich mit einer Flut von Angeboten überhäuft. Deshalb müssen Unternehmen nicht nur Aufmerksamkeit generieren, sondern mit einer starken Message auch kurz und knapp darlegen, was sie besonders macht.

Mit der Kampagne „Willkommen, Du passt zu uns“ zeigt die Deutsche Bahn, wie viel ein paar einfache Worte bewirken können. Statt wie andere Arbeitgeber den Fokus auf die Anforderungen an Kandidat*innen zu setzen, stellt die Bahn Zugehörigkeit und Wertschätzung in den Mittelpunkt. Mit diesen einladenden Worten spricht das Unternehmen gezielt auch Menschen an, die nicht alle Anforderungen einer typischen Stellenbeschreibung erfüllen, z. B. Quereinsteiger*innen.

3. Value Proposition: Vorteile als Arbeitgeber herausstellen und überzeugen

Es ist nicht immer einfach, die richtigen Worte für etwas so Abstraktes wie die Employer Value Proposition zu finden. Aber wenn Ihnen außer „nette Kolleg*innen und ein Kicker“ nichts einfällt, machen Sie etwas falsch. Überlegen Sie stattdessen, was Sie Ihren Mitarbeitenden wirklich zu bieten haben – an Entwicklungsmöglichkeiten, Wertschätzung, finanziellen Anreizen oder Gestaltungsmöglichkeiten.

Ein herausragendes Beispiel liefert die Glaserei Sterz: In einem Low-Budget-Video zerschlägt der Chef zunächst eine Glasscheibe und zählt dann mit klaren Worten auf, was er seinen Auszubildenden bietet. Darunter handfeste Vorteile wie 100 € Prämie für eine bestandene Prüfung. Das effektvolle Zerschlagen der Glasscheibe zu Beginn des Videos ist übrigens auch eine Marketing-Taktik: ein Hook, der die Aufmerksamkeit des Publikums fesselt.

Statt auf Floskeln setzt der Glasermeister auf Authentizität und erntet damit nicht nur jede Menge Views auf YouTube, sondern hebt sich auch deutlich von der Masse ab. Recruiting-Consultant Martin Holztrattner meint dazu:

„80 % der Stellenanzeigen klingen heutzutage gleich, oder? Unternehmen versuchen, sich als besonders innovativ und dynamisch zu verkaufen, aber Bewerbende wollen vor allem klare Infos: Was sind meine konkreten Aufgaben? Wie sind die Gegebenheiten und das Team vor Ort? Welche Maßnahmen ergreift das Unternehmen, um gute Mitarbeitende wertzuschätzen? Wer diese Fragen beantwortet, gewinnt deutlich mehr Bewerbende.“
Martin Holztrattner, Geschäftsführer bei Holztrattner Consulting

4. Storytelling: Mit authentischen Geschichten emotionale Nähe und Vertrauen schaffen

Unser Recruiting-Report 2025 zeigt deutlich: Je länger sich Bewerber*innen auf einer Karriereseite aufhalten, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich tatsächlich bewerben. In der DACH-Region liegt die durchschnittliche Absprungrate jedoch bei rund 70 %, d. h. die überwiegende Mehrheit verlässt die Seite, ohne aktiv zu werden.

Unternehmen müssen lernen, potenzielle Bewerber*innen mit spannenden und authentischen Inhalten zu fesseln. Ein gelungenes Beispiel dafür liefert Verivox: Das Unternehmen zeigt nicht nur einzelne Mitarbeitende in ihrer tatsächlichen Arbeitsumgebung, sondern stellt auf seiner Karriereseite auch ein originelles Cultural-Matching-Tool zur Verfügung. Das ist umso witziger, als Verivox ja selbst ein Vergleichsportal ist! Potenzielle Kandidat*innen können sich spielerisch mit dem Team vergleichen und herausfinden, in welche Abteilung sie am besten passen.

„Geben Sie Ihren Mitarbeiter*innen eine Stimme, teilen Sie authentische Erfahrungsberichte, zeigen Sie Videos, die einen Blick hinter die Kulissen ermöglichen: So bauen Sie ein echtes Vertrauensverhältnis zu den Kandidat*innen auf. Und gleichzeitig verringern Sie das Risiko, dass sie während der Einarbeitung von Ihnen enttäuscht sind. […] Je stärker Ihr Team eingebunden ist, desto inspirierender wirkt das auf Ihre Besucher*innen.“
Charlène Hemery, Gründerin von TalentCatcher und ehemalige Recruiterin

5. Conversion-Optimierung: Talente gezielt durch den Bewerbungsprozess leiten

Eine der größten Herausforderungen im Recruiting bleibt die hohe Abbruchquote bei Bewerbungsformularen. Laut unserem Recruiting-Report 2025 brechen durchschnittlich 41,2 % der Bewerber*innen den Bewerbungsprozess ab, obwohl sie bereits begonnen haben, ein Formular auszufüllen.

Wie lassen sich die Conversions, also die Zahl der vollständig ausgefüllten Formulare, steigern? Unternehmen müssen daher aktiv daran arbeiten, den Bewerbungsprozess so einfach, schnell und motivierend wie möglich zu gestalten. Michael Hobmaier, Leiter Personal und Kultur bei Die Bayerische Versicherung, bringt es auf den Punkt:

„Eine klare Sprache, eine ansprechende Struktur mit Storytelling-Elementen und inklusive Formulierungen sowie die transparente Darstellung von Gehalt, Benefits und Unternehmenskultur können dabei helfen, Interessenten auf der Seite zu halten. Ein einfacher, mobil-optimierter Bewerbungsprozess mit kurzen Formularen und wenigen ,Hürden' steigert die Abschlussrate.”
Michael Hobmaier, Leiter Personal und Kultur bei Die Bayerische Versicherung

Wie erfolgreich das in der Praxis funktionieren kann, zeigt Brother International Corporation: Mit einem umfassenden Relaunch der Karriereseite und dem Einsatz des Chatbots „Ays“, der Bewerber*innen intuitiv durch den gesamten Prozess begleitet, konnte Brother die Zahl der abgeschlossenen Bewerbungen in nur drei Wochen um beeindruckende 140 % steigern.

Weitere Marketing-Techniken, die sich auch in der Recruiting-Praxis bewährt haben, finden Sie im PDF „Recruiting meets Marketing: 33 Tipps, Top-Talente anzuziehen“.

Blick in die Zukunft: Diese Marketingtrends könnten auch das Recruiting verändern

Zum Abschluss möchten wir Ihnen noch drei Zukunftstrends auf den Weg mitgeben, die in den kommenden Monaten und Jahren im Marketing und vielleicht auch im Recruiting an Bedeutung gewinnen könnten.

  • KI-Suche

Immer mehr Nutzer*innen greifen heute auf KI-Suchmaschinen zurück, anstatt traditionelle Suchmaschinen wie Google zu verwenden. ChatGPT und andere KI-Tools beziehen ihre Informationen häufig direkt aus sozialen Netzwerken, Bewertungsportalen und Empfehlungsplattformen. Für Unternehmen bedeutet das: Es lohnt sich, die eigene Sichtbarkeit und Präsenz auf diesen Kanälen gezielt zu stärken, um von potenziellen Bewerber*innen gefunden und positiv wahrgenommen zu werden.

  • Corporate Influencer*innen

Als Gegentrend zum Aufstieg der KI wächst die Sehnsucht nach echten, persönlichen Stimmen. Corporate Influencer*innen – also Mitarbeitende, die authentische Einblicke ins Unternehmen geben – sind laut der FAZ einer der Top-Trends im digitalen Marketing. Diesen Trend können sich auch Arbeitgeber zunutze machen.

  • User Generated Content

Generell liegen von einzelnen Nutzer*innen erstellte Inhalte, wie Erfahrungsberichte, Videos oder Social-Media-Posts, im Trend. Marketingfachleute sprechen hier von User Generated Content, kurz: UGC. Im Recruiting könnten nicht nur Mitarbeitende, sondern auch Kandidat*innen authentische Einblicke geben. Solcher Content wirkt deutlich glaubwürdiger als klassische Marketingbotschaften.

Fazit: Warum Marketing im Recruiting heute unverzichtbar ist

Die Zeiten des Post and Pray-Recruitings sind vorbei. Wer heute auf dem stark umkämpften Arbeitsmarkt die besten Talente für sich gewinnen will, muss kreativ werden. Die gute Nachricht ist, dass Recruiter*innen dafür das Rad nicht neu erfinden müssen. Sie müssen lediglich einen Blick darauf werfen, welche Marketingtechniken erfolgreiche Marken einsetzen, um sich von der Konkurrenz abzuheben.

In diesem Artikel haben Sie fünf wirkungsvolle Techniken kennengelernt, die sich direkt auf Ihr Recruiting übertragen lassen: eine starke Arbeitgebermarke aufbauen (Branding), klare und einprägsame Botschaften senden (Messaging), konkrete Vorteile als Arbeitgeber herausstellen (Value Proposition), emotionale Nähe durch authentische Geschichten schaffen (Storytelling) und den Bewerbungsprozess so einfach und überzeugend wie möglich gestalten (Conversion-Optimierung).

Unser Tipp: Warten Sie nicht darauf, dass sich die Situation von allein verbessert. Setzen Sie noch heute gezielt eine oder zwei dieser Marketing-Techniken in Ihrem Recruiting ein, um mehr Sichtbarkeit und Vertrauen aufzubauen – und so mehr qualifizierte Bewerbungen zu gewinnen.

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