Die beliebtesten Arbeitszeitmodelle im Überblick

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2022
28.7.22
28/7/2022
28/7/2022
Minuten Lesedauer
Luisa Spardel
Recruitee
Flexible Arbeitszeitmodelle lösen jetzt den klassischen 9-to-5 Job ab. Erfahren Sie mehr über die Formen, Vorteile und den rechtlichen Rahmen.
Inhalt

Der klassische 9-to-5 Job ist bei vielen Unternehmen nach wie vor Standard. Dieses Konzept stammt aus den Tagen der industriellen Revolution, als die meisten Arbeiter*innen noch in Fabriken schufteten. Seitdem hat sich allerdings viel an der Art und Weise wie wir arbeiten verändert. Um den Anforderungen einer modernen Arbeitswelt gerecht zu werden, sind eine Vielzahl von neuen Arbeitszeitmodellen entstanden.

Diese verhelfen Mitarbeiter*innen zu mehr Flexibilität bei der Arbeitszeitgestaltung und sorgen dafür, dass verschiedene Lebensbereiche (wie Beruf und Familie) besser vereinbart werden können. Mit dem richtigen Arbeitszeitmodell gelingt auch die berühmt-berüchtigte Work-Life-Balance.

Welche Arbeitszeitlösung für Ihre Belegschaft am besten passt, lässt sich nicht pauschal sagen, denn jedes Unternehmen hat individuelle Anforderungen. In diesem Beitrag erhalten Sie eine praktische Übersicht der verschiedenen Arbeitszeitmodelle. Aber zunächst möchten wir kurz die Vorteile und den rechtlichen Rahmen rekapitulieren.

Vorteile von flexiblen Arbeitszeitmodellen

Die Vorteile, die Arbeitnehmer*innen durch flexible Arbeitszeitmodelle genießen, liegen quasi auf der Hand. Aber auch Unternehmen profitieren davon.  

Für die Belegschaft

  • Bessere Work-Life-Balance.
  • Alltag kann flexibler gestaltet werden.
  • Eltern können früher in den Beruf zurückkehren.
  • Weniger Stress.
  • Höhere Mitarbeiter*innen-Zufriedenheit.

Für Unternehmen

  • Auf volatile Auftragslagen und Nachfrageschwankungen kann besser reagiert werden.
  • Produktion, sowie Verkaufs- und Öffnungszeiten lassen sich bedarfsgerecht erweitern.
  • Gestiegene Mitarbeiter*innen-Bindung und geringere Fluktuation.
  • Höhere Produktivität, da die Arbeitskräfte dann arbeiten können, wenn es für sie am besten passt.
  • Weniger Fehlzeiten, da private Verpflichtungen flexibler in den Tag eingebunden werden können.
  • Ältere Mitarbeiter*innen können dem Unternehmen länger erhalten bleiben (z. B. durch Altersteilzeit) und wichtigen Wissenstransfer an nachkommende Generationen leisten.
  • Trägt zu einem attraktiven Arbeitgeberimage und gestärktem Employer Branding bei.  

Rechtlicher Rahmen

Ein Tarifvertrag bildet in der Regel den Rahmen für mögliche betriebliche Arbeitszeitmodelle. Gibt es keinen, dann ist dies im Arbeitsvertrag geregelt.

Grundsätzlich müssen sich alle Arbeitgeber an das Arbeitszeitgesetz halten. Dieses regelt unter anderem die erlaubte tägliche Arbeitszeit, Ruhepausen und -zeiten, Nacht- und Schichtarbeit sowie die Beschäftigung an Sonn- und Feiertagen.

In Unternehmen mit Betriebsrat kann der*die Arbeitgeber*in die Arbeitszeitgestaltung nicht selbst in die Hand nehmen. Der Betriebsrat hat hier ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Betriebsverfassungsgesetz.

Diskussion um Regelarbeitszeit

In Deutschland gibt es verschiedene Arbeitszeitmodelle. Das gängigste Arbeitsmodell ist die 40-stündige Arbeitswoche. Laut Statistischem Bundesamt arbeiteten Erwerbstätige in Deutschland in 2019 im Schnitt 34.9 Stunden.  

In Deutschland ist zuletzt eine Debatte rund um die wöchentliche Regelarbeitszeit von 40 Stunden entbrannt. Denn Expert*innen aus der Wirtschaft und Politik sehen die Anhebung der Regelarbeitszeit von 40 auf 42 Stunden pro Woche als eine mögliche Lösung des Fachkräftemangels. Auch das Rentensystem solle so entlastet werden. 

Andere Stimmen von z. B. Arbeitsmarktexperten dagegen fordern, dass die 4-Tage Woche neue Regelarbeitszeit werden soll und argumentieren, dass noch mehr Regelarbeitszeit bei gleichem Lohn ein veraltetes Modell ist. Auch in anderen Ländern wie z. B. in Island  wurde der Effekt der 4-Tage Arbeitswoche schon getestet. Das Ergebnis: mehr Zufriedenheit der Arbeitnehmenden, bei größerer Produktivität. Auch in Belgien und in vereinzelten Betrieben wird das Modell derzeit getestet.

Rund um die Debatte der Regelarbeitszeit bleibt also abzuwarten welche der Stimmen sich am Ende durchsetzen, oder ob vielleicht doch einfach alles beim Alten bleibt. Gesichert ist aber, dass Flexibilität für Mitarbeitende, also die eigene Entscheidung, ob sie nun 42h, 36h, oder 32h arbeiten wollen, ihnen in jeder Lebensphase am meisten entgegenkommt. Ein starres 42-Stunden Modell wäre demnach ein wenig aus der Zeit gefallen

Welche Arbeitszeitmodelle gibt es?

Die Auswahl der richtigen Arbeitszeitlösung gestaltet sich je nach Unternehmen sehr individuell. Jedes Modell hat Vor- und Nachteile für den*die Arbeitgeber*in als auch die Beschäftigten. Viele Arbeitszeitmodelle können auch miteinander kombiniert werden, um die ideale Lösung für deine Mitarbeiter*innen zu schaffen. Dies sind die gängigsten Modelle:

Teilzeit

Teilzeit bedeutet, dass Arbeitskräfte weniger Stunden als Angestellte in Vollzeit arbeiten. Dadurch reduziert sich auch ihr Entgelt entsprechend. Als Teilzeitregelung zählt meist eine wöchentliche Arbeitszeit von unter 30 Stunden. Nachdem die Sollarbeitszeit zwischen Arbeitskraft und Arbeitgeber*in festgelegt ist, können weitere Flexibilisierungen vereinbart werden. Zum Beispiel könnten Arbeitnehmer*innen in Teilzeit ...

  • fünf Tage pro Woche mit reduzierter täglicher Arbeitszeit arbeiten.
  • die volle Arbeitszeit ableisten, aber an einer reduzierten Anzahl von Arbeitstagen pro Woche arbeiten.
  • eine reduzierte tägliche Arbeitszeit mit gleichzeitig reduzierter Anzahl von Arbeitstagen pro Woche kombinieren.
  • für einen bestimmten Teil des Jahres in Vollzeit arbeiten und zum Ausgleich längere Freizeitblöcke einplanen.

Besonders Angestellte, die kurz vor dem Ruhestand stehen, nutzen Teilzeit, um kontinuierlich ihre Arbeitszeit zu reduzieren. Dies nennt man Altersteilzeit.

Gleitzeit

Gleitzeit ist wohl das bekannteste flexible Arbeitszeitmodell, denn es ist schon weit verbreitet und lässt sich relativ einfach umsetzen. Anstatt alle Arbeitskräfte den Arbeitstag gemeinsam zur gleichen Zeit beginnen und beenden zu lassen, gibt es bei der Gleitzeit keinen festen Anfangs- und Endzeitpunkt.  

Damit Unternehmen trotzdem nachvollziehen können, wann jede*r Mitarbeiter*in mit der Arbeit beginnt und diese wieder beendet, kommen meist elektronische Arbeitszeiterfassungen zum Einsatz. So lässt sich recht einfach die tatsächliche Anwesenheit mit der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit vergleichen.

Generell gibt es drei Varianten der Gleitzeit:

  • Gleitzeit mit Kernarbeitszeit: Die Kernarbeitszeit ist eine bestimmte Zeitspanne, meist in der Mitte des Tages, wenn die Anwesenheit für alle Angestellten Pflicht ist. Vor und nach der Kernarbeitszeit gibt es die Gleitphasen, in der die Arbeitskräfte variabel kommen und gehen können.
  • Gleitzeit ohne Kernarbeitszeit: Hier legen Unternehmen nur einen frühesten Anfang und ein spätestes Ende der Arbeitszeit fest. Darüber hinaus entscheiden die Beschäftigten völlig frei über den genauen Beginn und das Ende ihrer Arbeitszeit.
  • Gleitzeit mit Funktionszeit: Die Funktionszeit ist eine Zeitspanne, in der die verschiedenen Unternehmensbereiche funktionsfähig sein müssen (z. B. Erreichbarkeit für Kund*innen oder andere Abteilungen). Die Teammitglieder legen dann im Rahmen dieser Vorgaben und in Absprache mit ihren Kolleg*innen ihre Arbeitszeiten selbst fest.

Vertrauensarbeitszeit

Unternehmen, die Vertrauensarbeitszeit einführen, verzichten ganz auf die Zeiterfassung. Sie kontrollieren nicht, ob ihre Beschäftigten die vertraglich festgelegten Sollarbeitszeiten erfüllen. Wann und wo die Angestellten ihren Tätigkeiten nachgehen, bleibt weitestgehend ihnen überlassen.

Dieses Arbeitszeitmodell setzt einen hohen Grad an Vertrauen von Firmenseite voraus, sowie ein Gefühl der Selbstverantwortung bei den Angestellten. Der Fokus liegt hier ganz auf dem Arbeitsergebnis, was unabhängig von der Anwesenheit betrachtet wird. Was dies genau sein soll, muss vorher akribisch in Zielvereinbarungen festgehalten werden.

Die Mitarbeiter*innen profitieren bei der Vertrauensarbeitszeit von einer hohen Flexibilität. Aber Vorsicht! Eventuelle Überstunden werden meistens nicht vergütet oder ausgeglichen, da sie nicht notiert werden. Dies kann zu Überlastung und Burnouts führen.

Schichtarbeit und Nachtarbeit

Schicht- und Nachtarbeit ist aus bestimmten Branchen, wie der Polizei, Krankenhäusern, Flughäfen und Call-Centern nicht wegzudenken. Angestellte arbeiten in verschiedenen Schichtmodellen, die unterschiedliche Kombinationen aus Früh-, Spät-, Nacht- oder Tagesschichten abbilden.

Unternehmen nutzen Schichtarbeit, um alle Betriebszeiten abzudecken. Besonders im produzierenden Gewerbe werden Schichtmodelle genutzt, damit Maschinen kontinuierlich ausgelastet werden.

Leider klagen Beschäftigte im Schichtdienst oft über gesundheitliche und soziale Belastungen. Firmen müssen deshalb auf eine gesundheitsverträgliche Schichtplanung achten, die genügend Ausgleich gewährt.

Rufbereitschaft

Die Rufbereitschaft, auch Rufdienst genannt, ist in Berufszweigen verbreitet, in denen Notfälle entstehen können. Dazu zählen Feuerwehrleute, Ärzt*innen, aber auch Hebammen, Bestatter*innen und Handwerker*innen.

Ein*e Arbeitnehmer*in in Rufbereitschaft verpflichtet sich, während der Freizeit jederzeit für die Arbeit bereit zu sein und innerhalb kürzester Zeit am Arbeitsort zu erscheinen.

Die Rufbereitschaft muss gut geplant sein, damit die Anforderungen des Arbeitszeitgesetzes trotzdem eingehalten werden. Beispielsweise muss eine ununterbrochene Ruhezeit von 11 Stunden zwischen zwei Arbeitstagen auch im Rufdienst gewährleistet sein (§ 5 Arbeitszeitgesetz).

Jahresarbeitszeit

Wie der Name schon verrät, vereinbaren Beschäftigte und Arbeitgeber*innen eine jährliche Arbeitszeit (in Stunden). Dies eignet sich besonders für Unternehmen, deren Arbeitsaufkommen stark saisonal schwankt, z. B. Gartenbaubetriebe oder Gastronomen.

In Zeiten mit hoher Auslastung kann die Firma die tägliche oder wöchentliche Arbeitszeit erhöhen und bei geringer Auslastung senken. Das Gehalt wird meistens ganzjährig in gleicher Höhe ausbezahlt.

Arbeitnehmer*innen profitieren von mehr Freizeit bei geringer Auslastung. Gleichzeitig haben sie weniger Flexibilität in der Hochsaison. Fällt diese in die Sommermonate, können dadurch ihre Urlaubsoptionen eingeschränkt sein.  

Zeitwertkonto

In einem Zeitwertkonto, auch Lebensarbeitszeitkonto genannt, sparen Beschäftigte über einen langen Zeitraum hinweg Geld an, um dies später ausgezahlt zu bekommen, wenn sie nicht arbeiten.

Das Modell besteht aus einer Ansparphase und einer Entnahmephase. In der Ansparphase  zahlen Angestellte bestimmte Lohn- und Gehaltsbestandteile auf ihr Zeitwertkonto ein. Dazu gehören tarifliche Leistungen, Überstunden, nicht genommener Urlaub sowie andere Arbeitgeber*innen-Leistungen. In der Entnahmephase zahlt der*die Arbeitgeber*in den vollen oder einen Teil des Lohns weiter, obwohl der*die Angestellte nicht mehr arbeitet.

Beschäftigte können sich damit die Altersteilzeit oder einen Vorruhestand leisten. Aber auch für die Finanzierung von Sabbaticals, Erziehungszeiten oder anderen Auszeiten eignet sich das Zeitwertkonto.

Das Arbeitszeitkonto: ein Instrument zur Steuerung flexibler Arbeitszeiten

Arbeitszeitkonten werden in verschiedenen Arbeitszeitmodellen wie Gleitzeit oder Jahresarbeitszeit eingesetzt, um einen Überblick über die geleisteten Stunden zu behalten. Sie funktionieren wie ein Sparbuch. Stunden, die über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinausgehen, werden gutgeschrieben. Arbeiten Beschäftigte weniger als die vereinbarten Stunden, werden diese vom Zeitguthaben abgezogen.  

In jedem Fall muss ein Ausgleichszeitraum für das Arbeitszeitkonto definiert werden. In diesem müssen die angesammelten Überstunden abgebaut oder ausgezahlt werden. Etwaige Minusstunden müssen in diesem Zeitraum wieder aufgebaut werden. Die meisten Unternehmen entscheiden sich für einen Ausgleichszeitraum von maximal einem Jahr.

Es gibt auch die Möglichkeit einer Ampelregelung für das Arbeitszeitkonto. Der Kontostand fällt dann in einen von drei Bereichen:

  • Grün: Es besteht nur eine geringe Abweichung von der vereinbarten Arbeitszeit. Die Beschäftigten können die Mehr- oder Minderarbeit meist in Eigenverantwortung wieder ausgleichen. Ein Eingreifen der Führungskraft ist nicht erforderlich.
  • Gelb: Es haben sich erhebliche Plus- oder Minusstunden angesammelt, die der*die Arbeitnehmer*in nicht ohne weiteres ausgleichen kann. In Absprache mit der Führungskraft werden konkrete Maßnahmen vereinbart. Zum Beispiel dürfen weitere Überstunden nur mit Genehmigung des*der Vorgesetzten gemacht werden.
  • Rot: Die Abweichung zur Sollarbeitszeit ist so groß, dass sofortige Konsequenzen folgen müssen. In diesem Fall ist der Ausgleich im normalen Tagesgeschäft schwierig. Hier sollte die Personalabteilung mit einbezogen werden, um konkrete Maßnahmen zu finden.

Fazit

Das Angebot von flexibler Arbeitszeitgestaltung wird heute von Arbeitnehmer*innen nicht nur begrüßt, sondern oft schon vorausgesetzt. Starre Arbeitszeitregelungen schrecken eher ab und lassen ein Unternehmen im War for Talents alt aussehen.  

Noch ist es nicht zu spät, neue Arbeitszeitmodelle einzuführen. Die Umsetzung birgt natürlich eine gewisse Umstellung und Abstimmungsaufwand zwischen Belegschaft und Führungskräften. Eine Testphase vor der endgültigen Einführung kann sinnvoll sein, um etwaige Schwierigkeiten zu ergründen und Lösungen zu finden.

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