Wenn Stellenanzeigen nicht den erhofften Rücklauf haben, sowohl qualitativ als auch quantitativ, dann kann es daran liegen, dass die Formulierungen nicht klar und deutlich waren. Das gilt umso mehr, wenn viele Bewerber*innen schon in den ersten Schritten des Prozesses herausfallen, weil sie nicht geeignet sind. Das Problem liegt aber meistens nicht in der Anzeige selbst, sondern im Anforderungsprofil für die Stelle. Noch immer spiegeln Ausschreibungen nicht wider, was eigentlich benötigt wird, sondern beinhalten Allgemeinplätze und Positionsbeschreibungen.
Mit einem Anforderungsprofil kannst du eine präzise Beschreibung einer Stelle oder einer Position erhalten, deren wichtigste Punkte dann in eine Stellenanzeige übernommen werden. Das Profil besteht dabei sowohl aus Wünschen an eine*n Kandidat*in als auch aus einer Reflexion des Ist-Zustandes. Gerade letzteres wird sehr häufig vergessen, ist aber für den Erfolg des Recruitings von großer Bedeutung.
Es gibt, wie für fast alles in Deutschland, sogar eine Norm DIN 33430:2016-07, die sich mit Anforderungsprofilen in der Personalentwicklung und Eignungstests beschäftigt. Du wirst dich nicht an die Norm halten müssen, denn der Schwerpunkt liegt auf Testverfahren. Sie zeigt aber, wie wichtig es ist, eine genaue Beschreibung einer Arbeitsstelle zu haben.
Übrigens kannst du Anforderungsprofile nicht nur für feste Positionen, sondern ebenso gut für freie Mitarbeiter*innen und Berater*innen erstellen. Für letztere ist das sogar wichtig, um den “Scope of Work” möglichst detailgenau festlegen zu können.
Was muss im Anforderungsprofil stehen?
Ein Anforderungsprofil beschreibt die Summe aller Tätigkeiten, die mit einer bestimmten Stelle oder Position verbunden sind und der Qualifikationen, die dafür notwendig sind. Dazu können sehr technische Beschreibungen zählen, wenn sich jemand mit einer bestimmten Maschine auskennen muss, oder Soft Skills wie hohe Empathie, die besonders in sozialen Berufen benötigt wird.
Je detaillierter das Anforderungsprofil ist, umso einfacher machst du es dir im Recruitingprozess, sowohl bei der Suche nach Kandidat*innen als auch in den nachfolgenden Schritten.
Formale Qualifikationen
Am Anfang stehen die formalen Anforderungen, die für die Stelle notwendig sind. Das sind meistens Bildungsgrad, Ausbildung, Erfahrung, Verfügbarkeit, wenn notwendig Führerschein, Arbeitserlaubnis bei ausländischen Bewerber*innen. Bei Stellen für Führungskräfte wird hier meistens auch nach Erfahrung in der Personalverantwortung und Führung gefragt.
Fachliche Kompetenzen
Die fachlichen Qualifikationen richten sich sehr stark nach der Beschreibung der einzelnen Stelle. Es können Programmiersprachen sein oder die Kenntnis von bestimmten Produktionsanlagen, Fremdsprachen oder Kenntnis in Spezialsoftware wie Buchungsprogramme bei Reiseunternehmen. Natürlich sollte die Branche und ihre Anforderungen selbst bekannt sein.
Um die fachlichen Kompetenzen aufzulisten, solltest du unbedingt die Leitung der Fachabteilungen und sogar Kolleg*innen aus der Abteilung hinzuziehen. Es kommt immer wieder vor, dass wegen ungenauer Beschreibungen Bewerber*innen abgelehnt werden müssen, weil sie nicht die fachlichen Kompetenzen in einem bestimmten Bereich haben. Da viele Aufgaben heute sehr spezialisiert sein können, kommt es auf Details an. Zum Beispiel gibt es einen Unterschied zwischen Entwickler*innen für mobile Apps und Entwickler*innen, die mobile Apps für Android oder iOS programmieren.
Methodenkompetenz
Die Methodenkompetenzen zeigen, wie jemand die Arbeit organisiert und Aufgaben löst. Dabei gibt es kein richtig oder falsch, sondern nur unterschiedliche Ansätze. Wer alleine eine Produktionsstraße überwachen soll, muss in der Lage sein, eigenständig zu arbeiten. Sollen Bewerber*innen ein neues Verkaufsteam aufbauen, müssen sie gut mit anderen zusammenarbeiten können.
Die wichtigsten Methodenkompetenzen sind:
- Informationsbeschaffung
- Analytisches Denken
- Interpretationsfähigkeit
- Anwenden von Problemlösungen
- Organisationstalent
- Eigenständiges Arbeiten oder Teamplayer
- Home-Office-Qualifikationen
Soft Skills
Die sozialen Kompetenzen und sogenannten weichen Faktoren werden immer wichtiger. In Zeiten, in denen wir uns Fachwissen schnell aneignen können, spielen die eigene Persönlichkeit und die Fähigkeit, mit anderen zusammenzuarbeiten, eine große Rolle. Zu den wichtigsten Soft Skills gehören:
- Zuhören können
- Verhandlungsgeschick
- Nonverbale Kommunikation
- Körpersprache lesen
- Verbale Kommunikation
- Visuelle Kommunikation
- Kreativität bei Problemlösungen
- Kritisches Denken
- Flexibilität bei Anpassung an wechselnde Umgebungen
- Erfolgsorientiertes Arbeiten
- Zielorientiertes Arbeiten
- Konfliktmanagement
- Menschen begeistern können
- Feedback geben können
- Rat geben können (Mentorship)
- Ehrlichkeit
- Humor’
- Selbstbewusstsein
- Geduld
- Respekt
- Empathie
- Große Aufmerksamkeit auf Details
Die Liste lässt sich noch fast endlos fortsetzen. Wichtig ist zu verstehen, welche dieser Skills für eine Stelle notwendig sind. Ein*e Kassierer*in im Supermarkt muss keine Menschen begeistern und auch nicht kritisch Denken, braucht aber Humor, Flexibilität und Genauigkeit in der Arbeit. Die Leitung der Marketingabteilung hingegen muss kreativ sein, Menschen überzeugen und führen können, kritisch und Out-of-the-box-Denken können und eine gewisse Portion an Selbstbewusstsein mit sich bringen.
Wer andere Mitarbeiter*innen oder Kund*innen trainiert, muss sich und die Sachverhalte gut präsentieren, selbstbewusst auftreten und auch zuhören können. In der Personalabteilung hingegen sind neben genauem Arbeiten genauso Empathie und Konfliktmanagement-Fähigkeiten gefragt.
Versuche bei den Soft Skills auf Allgemeinplätze zu verzichten, vor allem in Stellenanzeigen. Dass jemand ein freundliches Auftreten hat ist ebenso selbstverständlich wie vertrauensvolle Zusammenarbeit und gewissenhaftes Arbeiten. Auch Adjektive wie dynamisch, kreativ, flexibel oder innovativ sollten in einer Anzeige mit Vorsicht verwendet werden – im Anforderungsprofil können sie jedoch näher ausgeführt sein. So kann flexibel bedeuten, dass jemand flexible Arbeitszeiten hat oder dass sich eine Person schnell anpassen kann. Als kreativ wird sich heute allgemein gesehen wahrscheinlich jeder bezeichnen, aber werden kreative Ideen, kreative Lösungen oder gar künstlerische Fähigkeiten benötigt?
Vorteile eines Anforderungsprofils
Ein genaues Anforderungsprofil hat zwei wesentliche Vorteile: Zum einen kannst du Bewerber*innen gegenüber die Stellenanforderungen präziser formulieren und damit die Qualität der Bewerbungen erhöhen. Zum anderen kannst du auch selbst mehr Klarheit erhalten, was eigentliche Aufgabe der entsprechenden Person ist. Es kommt immer wieder vor, dass in großen Unternehmen bei der Stellenbeschreibung auffällt, dass sie redundant ist, dass es Überschneidungen gibt oder dass sie nicht mehr zeitgemäß ausgefüllt wird.
Anforderungsprofil als Checkliste für den Recruitingprozess
Mit einem Anforderungsprofil kannst du schneller passende Bewerber*innen auswählen und den Prozess sogar teilweise automatisieren. Künstliche Intelligenz kann bereits Bewerbungen auf bestimmte Stichwörter hin überprüfen und aussortieren. Eine Checkliste mit den Anforderungen hilft dir bei allen Schritten des Bewerbungs-Trichter.
Höhere Qualität der Bewerbungen
Je genauer du deine Vorstellungen an Bewerber*innen kommunizieren kannst, umso besser wird die Qualität der Bewerbungen sein. Ein klares Stellenprofil wird nur diejenigen ansprechen, die den Anforderungen entsprechen. Damit verlierst du weniger Zeit mit nicht qualifizierten Kandidat*innen.
Beschleunigung des Bewerbungsprozesses
Da du dich mit weniger Ausschuss beschäftigen musst, wird der Bewerbungsprozess wesentlich beschleunigt. Die Time-to-Hire sinkt und damit auch die Kosten für die Besetzung einer Stelle. Die gesparte Zeit kann dann für andere Zwecke eingesetzt werden. Übrigens kannst du Anforderungsprofile sogar bei der Auswahl von Auszubildenden verwenden.
Ein Anforderungsprofil erstellen
Ein Anforderungsprofil geht dem Stellenprofil immer voraus und ist ein Prozess, der mit der Sammlung von Informationen beginnt und am Ende eine Liste an Qualifikationen darstellt. Die Analyse der Ist-Situation steht am Anfang, denn die tatsächliche Arbeit, die geleistet wird, bildet die Grundlage der Stellenbeschreibung.
Bei einem Anforderungsprofil besteht immer die Gefahr, dass daraus eine Wunschliste wird. Das gilt es zu verhindern, denn bei unrealistischen Profilen werden Bewerber*innen sich entweder gar nicht melden oder eingestellte Mitarbeiter*innen wieder abspringen, wenn die Stelle nicht so ist wie ausgeschrieben.
Ist-Analyse
Schreibe alle Tätigkeiten auf, die derzeit auf dieser Stelle ausgeübt werden. Hier ist die Hilfe der bisherigen Stelleninhaber*innen sehr willkommen, denn sie können am besten beschreiben, was sie den ganzen Tag über tun. Gerade bei den fachlichen Kompetenzen ist der Input von Kolleg*innen eine große Hilfe. Vorgesetzte hingegen können methodische Kompetenzen recht gut beurteilen und dir bei den formalen Kriterien helfen.
Folgende Stichpunkte wirst du benötigen:
- Welche Routinetätigkeiten gibt es? Zähle hier möglichst viel auf, du kannst die Liste dann später auf wichtige Punkte reduzieren.
- Welche besonderen Aufgaben hängen mit der Stelle zusammen (zum Beispiel Vernetzung mit anderen Teams, Sonderprojekte).
- Was sind die formalen Kriterien (Universitätsabschluss, besondere Kenntnisse und Zeugnisse)?
- Welche fachlichen Qualifikationen haben die bisherigen Stelleninhaber*innen (hier solltest du auch die Fortbildungen mit einschließen und alles, was seit der Einstellung dazugelernt wurde)?
- Welche Arbeitsmethoden werden derzeit angewendet (Teamarbeit, selbstständige Arbeit, Home-Office, Außendienst)?
- Welche Soft-Skills haben die Kolleg*innen derzeit und welche sind für die Stelle notwendig?
Bei einer neu geschaffenen Position wirst du nicht auf Erfahrungswerte zurückgreifen können. Hier braucht es etwas Fantasie und die Fähigkeit, sich die Gestaltung der Stelle bildlich vorzustellen. Versuche einen fiktiven Charakter auf diese Stelle zu setzen und beschreibe, was dieser für Aufgaben hat. Füge dann die Fähigkeiten hinzu, von denen du glaubst, dass sie für die Stelle notwendig sind.
Bewertung der einzelnen Anforderungen
Die Liste der Anforderungen wird recht lang sein, aber das ist normal. Im nächsten Schritt wirst du bewerten, wie wichtig die einzelnen Tätigkeiten und Fähigkeiten für die Stelle sind. Es hat sich bewährt, die einzelnen Punkte in drei Kategorien einzuteilen:
- Muss – diese Anforderungen sind wichtig und haben Priorität
- Soll – diese Punkte sind wünschenswert und es wäre gut, wenn Kandidat*innen sie erfüllen
- Kann – diese Qualifikationen sind die Sahnehaube. Bewerber*innen, die sie mitbringen, werden auf jeden Fall positiv bewertet.
Am einfachsten ist es, die Anforderungsliste in einer Tabelle zu sammeln und dann Spalten hinzuzufügen, die die drei Kategorien repräsentieren. Dann wird jeder Eigenschaft eine der drei Kategorien zugewiesen. Am besten machst du das im Team, und wahrscheinlich wird es mehrere Durchgänge geben, bis am Ende eine zufriedenstellende Liste fertiggestellt ist.
Das Anforderungsprofil anwenden
In einer Stellenanzeige wirst du aus Platzgründen nicht alle Punkte unterbringen. Du solltest aber versuchen, einige Soll- und Kann-Kriterien unterzubringen. Es kann hilfreich sein, die Stelle von außen zu betrachten und zu überlegen, welche Eigenschaften und Skills Kandidat*innen auf jeden Fall mitbringen sollten. Auch hier kann es durchaus mehrere Anläufe geben. Außerdem kannst du bei unterschiedlichen Kanälen die Länge variieren, bei LinkedIn kann ein Text zum Beispiel länger sein als bei einer Jobplattform.
Das Anforderungsprofil wird außerdem im Bewerbungsprozess verwendet. Hier kannst du zunächst die Muss-Kriterien für eine Vorauswahl verwenden. Die so verkürzte Liste wird dann mit den weiteren Kriterien verglichen. Dieser Schritt findet meist schon als Interviews oder im Assessment-Center statt.
Es gibt mehrere Möglichkeiten, den Fragebogen für das Anforderungsprofil anzupassen. Am besten ist es, jede Eigenschaft auf einer Skala von 1 bis 5 zu bewerten (zum Beispiel 1 = ist überhaupt nicht vorhanden, 5 = ist ausgeprägt vorhanden).
Um es übersichtlicher zu machen, können die Fragen nach bestimmten Fähigkeiten unterteilt werden, zum Beispiel in
- Personal Fit
- Cultural Fit
oder
- Fachliche Qualifikationen
- Persönliche Qualifikationen
Letztlich fragst du ab, ob die Fähigkeiten der Bewerber*innen mit den Anforderungen übereinstimmen. Je mehr Stichwörter vorhanden sind, umso weniger wahrscheinlich ist es eine hundertprozentige Deckung zu bekommen. Aber du kannst einen Score ermitteln, der praktikabel ist. Die Summe aller Fragen multipliziert mit 5 ergibt einen theoretischen Höchstwert. Von diesem kannst du aber je nach Umfang etwa 10 bis 20 Prozent abziehen, um es realistischer zu machen. Wer diese Punktzahl erreicht, kommt auf jeden Fall in die engere Auswahl. Ebenso kannst du eine Mindestpunktzahl errechnen: wer diese nicht erreicht, fällt aus dem Bewerbungsverfahren heraus.
Du solltest im Bewerbungsverfahren versuchen, so viele Übereinstimmungen der Bewerber*innen mit dem Anforderungsprofil wie möglich zu haben.
Anforderungsprofil Muster als Vorlage
Ein Anforderungsprofil kann eine einfache Liste sein, die in Spalten und Zeilen unterteilt ist. Es ist sinnvoll, die Anforderungen der Übersicht halber zu unterteilen.
Ein Beispiel für eine*n Außendienstmitarbeiter*in im Vertrieb könnte so aussehen:
Dieses Anforderungsprofil Muster kannst du für jede Stelle einrichten, die es bereits gibt oder für die eine neue Ausschreibung erstellt wird. Du wirst auf diese Weise recht schnell einen Ordner mit Anforderungsprofilen haben, aus dem du dich bei der neuen Stellenausschreibung bedienen kannst. Das spart dir Zeit und Kosten und schafft Freiräume in der Personalverwaltung.