Nachdem die Unternehmenskultur immer mehr Bedeutung für das Employer Branding und die Mitarbeiter*innen-Zufriedenheit bekommen hat, hat sich der Fokus nun auf Kandidat*innen und Mitarbeiter*innen gelegt.
Die Frage ist: Wie gut passen diese in das Unternehmensumfeld? Dabei geht es nicht um die sogenannten Hard Skills, also das Fachwissen. Cultural Fit deckt zwei Bereiche ab:
- Wie gut kann sich jemand mit den Visionen und Werten eines Unternehmens identifizieren?
- Wie gut kann eine Person in die Arbeitsabläufe und Arbeitsweisen integriert werden?
Es geht also sowohl darum, wie groß die Übereinstimmung mit übergeordneten Zielen ist, als auch darum, wie hoch die Integrationsfähigkeit in die Belegschaft ist. Letzteres wird oft vergessen, gerade wenn ein Unternehmen stolz auf seine Vision und sein Mission-Statement ist. Aber letztlich wird die Kultur von der Realität der Arbeitswelt bestimmt.
Neue Mitarbeiter*innen müssen zum Beispiel in der Lage sein, in einem Team oder selbstständig zu arbeiten, je nach Jobanforderungen und Strukturen. Manche Menschen brauchen eine klar definierte Struktur mit Aufgabenlisten und Berichten, andere sind eher daran interessiert, Ergebnisse zu präsentieren und flexibel zu sein. Feste oder flexible Arbeitszeiten zählen ebenso zum Cultural Fit wie die Bereitschaft zu reisen, wie viel Verantwortung eine Person hat und haben will und wie das Betriebsklima ist.
Cultural Fit – Die andere Bedeutung der Kultur
Es gibt noch einen weiteren Aspekt des Cultural Fit, der die Kultur eines Landes beschreibt. Das betrifft meistens Kandidat*innen aus anderen Ländern und Kulturkreisen.
Eine Studie in Norwegen zeigte, dass Bewerber*innen mit einem geringen Cultural Fit sechsmal weniger eingestellt wurden als solche mit einer hohen Bewertung. Viele, die eine geringe Bewertung bekamen, waren Immigranten.
Der Kulturbegriff in der Arbeitswelt hat aber nichts mit der Herkunft eines Menschen zu tun, sondern allein mit seiner professionellen Einstellung, seinen Werten die Arbeit betreffend und wie er am besten arbeiten kann.
Dieser Aspekt ist übrigens Grundlage von Kritik am Cultural Fit. Es besteht die Gefahr, dass nur Personen eingestellt werden, die alle die gleichen Ansichten und Arbeitsweisen haben. Das gefährdet aber die Vielfältigkeit. Sie sollten also darauf achten, dass jemand ins Unternehmen passt, aber durchaus frischen Wind mitbringen kann.
Die Bedeutung des Cultural Fit sollte nicht unterschätzt werden. Er ist kein Soft Skill. Er ist der Haupttreiber für Motivation und Leistung am Arbeitsplatz.
Oft sind das nur Lippenbekenntnisse, und Persönlichkeit und Selbstdarstellung spielen am Ende eine größere Rolle. Wenn Sie jemals talentierte, kluge, freundliche und fachlich qualifizierte Mitarbeiter*innen eingestellt haben und diese dann keine Leistung brachten, kennen Sie das Problem. Es ist einfacher, vorher zu schauen, ob Bewerber*innen und Ihr Unternehmen zusammenpassen, als einen Recruiting-Prozess von vorne beginnen zu müssen.
Cultural Fit: Wechselbeziehung zwischen Unternehmen und Kandidat*innen
Selbst wenn Sie beim Cultural Fit vornehmlich bei Bewerber*innen danach schauen werden, ob sie zum Unternehmen passen, ist diese Übereinstimmung keine Einbahnstraße. Sie müssen Ihre Ansprüche klar definieren, gerade wenn es um Stellenanzeigen geht.
Im Recruiting werden Sie dann erfolgreich Kandidat*innen finden, wenn diese glauben, ins Unternehmen zu passen. Ein Cultural Fit wird also nicht nur von Recruiter*innen gesucht, sondern ebenso von Jobsuchenden. Sie wollen wissen, ob das Unternehmen mit ihren eigenen Überzeugungen und Arbeitsweisen übereinstimmt.
Deshalb ist es wichtig, bei einer Stellenanzeige schon deutlich zu machen, welche Ansprüche Sie haben. Suchen Sie jemanden, der eigenständig arbeiten kann, oder eine*n Teamplayer*in? Erwarten Sie ständig Rückmeldungen oder geben Sie jemandem weitgehend freie Hand – und damit Verantwortung? Je klarer Ihre Erwartungen formuliert sind, umso eher gibt es einen Cultural Fit auf der Arbeitsebene.
Werte und Kultur in Ihrem Unternehmen
Sie können den Cultural Fit nur bestimmen, wenn Sie Ihr eigenes Unternehmen kennen. Die Kultur in einem Unternehmen ist aber nichts, was man einfach so aufschreiben kann. Sie können sie zwar zu einem gewissen Grad beeinflussen, aber sie ist ein dynamisches Element, das sich aufgrund innerer und äußerer Faktoren immer wieder verändert.
Oftmals wird die Unternehmenskultur mit dem Betriebsklima gleichgesetzt, was aber ein Fehler ist. Das Betriebsklima ist letztlich Ausdruck der Kultur. Diese wird gebildet durch Regeln und Vorschriften, Erwartungen an die Mitarbeiter*innen, Vision und Werte des Unternehmens, Diversität, Arbeitsumfeld und ungeschriebene Regeln.
Solche ungeschriebenen Regeln können manchmal ein Problem beim Cultural Fit sein. Wenn Ihre Firma zwar viele Fortbildungen anbietet und teamorientiert arbeitet, es aber üblich ist, dass die alten Hasen das letzte Wort haben, kann es schnell zu einer Fehleinstellung kommen. Versuchen Sie deshalb zunächst, Ihre eigene Unternehmenskultur so ehrlich wie möglich zu beschreiben.
Die Werte spielen eine große Rolle, wenn sie auf allen Ebenen gelten und gelebt werden. Wer in einem Betrieb arbeitet, der vegetarische Produkte anbietet, wird als überzeugter Fleischkonsument keine Chance haben. Auf der anderen Seite muss man nicht gleich Solaranlagen auf dem eigenen Hausdach haben, um sich bei einem umweltorientierten Unternehmen wohlzufühlen.
Wie Sie den Cultural Fit messen können
Es gibt einige Messgrößen, die Sie erheben können, um einen Cultural Fit wenigstens etwas objektiver einzuordnen. Sie können dafür Fragebögen einsetzen, die ein Bewertungssystem haben. Die Bewerber*innen müssen diese Fragen auf einer Skala von eins bis fünf (z. B. "eher nicht" bis "auf jeden Fall") beantworten.
Dabei spielen fünf Dimensionen beim Cultural Fit eine große Rolle:
1. Geschwindigkeit
Wenn Ihr Unternehmen darauf ausgerichtet ist, schnell zu wachsen (zum Beispiel ein Start-up), dann müssen Mitarbeiter*innen in der Lage sein, sich schnell anzupassen, viel und hart zu arbeiten, Misserfolge in kurzer Zeit zu verkraften und aus den Fehlern zu lernen. Geschwindigkeit ist alles. Aussagen:
- Ich schaue bei der Arbeit nicht auf die Uhr.
- Ein Job ist fertig, wenn ich damit zufrieden bin.
- Ich freue mich auf täglich neue Herausforderungen.
- Fehler sind für mich ein gutes Qualitätsmanagement.
- Ich schaue nicht zurück, nur nach vorne.
2. Strukturen
Manche Menschen arbeiten gerne in wohlorganisierten Unternehmen, in denen es klare Ansprechpartner*innen und Aufgaben gibt. Andere hingegen schätzen die Freiheit und hassen es schon, vierteljährlich einen Bericht abzugeben. Je nachdem, wie Ihre Firma organisiert ist, sollten die Bewerber*innen passen. Aussagen:
- Ich möchte wissen, wo in der Rangordnung mein Platz ist.
- Ich erwarte, dass man mir Aufgaben zuweist.
- Ich habe mir schon das Organigramm angeschaut.
3. Führungsstile
Mitarbeiter*innen, die mit dem Führungsstil von Vorgesetzten nicht zufrieden sind, werden nicht lange im Unternehmen bleiben. Deswegen ist es gut abzufragen, welche Erwartungen es an das Management gibt. Aussagen:
- Ich erwarte klare Anweisungen von meinen Vorgesetzten.
- Vorgesetzte sollten Fachwissen haben.
- Mein*e Chef*in sollte mir den Rahmen bieten, in dem ich optimal arbeiten kann.
- Ich sehe die Aufgabe des*der Manager*in, mich zu kontrollieren.
- Manager*innen sollen helfen, dass ich mich weiterentwickeln kann.
4. Facheignung
Die beste Beschreibung einer Stelle kann zu Missverständnissen führen, und dann ist die Überraschung am ersten Arbeitstag groß. Zum Beispiel, wenn ein*e Programmierer*in gar nicht in der Sprache gearbeitet hat, die in Ihrem Unternehmen verwendet wird.
Um das zu verhindern, sollten Sie Bewerber*innen fünf Aufgaben beschreiben lassen, die diese zuletzt in ihrem Job bearbeitet haben. Dann bewerten Sie, wie sehr sie mit den Aufgaben übereinstimmen, die mit der ausgeschriebenen Stelle zusammenhängen.
5. Adaptionsfähigkeit
Es wird niemals der Fall sein, dass neue Mitarbeiter*innen zu 100 Prozent in eine Firma passen. Hier und da gibt es Reibungspunkte und unterschiedliche Vorstellungen. Das hat Vorteile, denn solche Mitarbeiter*innen hinterfragen Prozesse und decken Fehler auf. Dennoch werden sie sich weitgehend anpassen müssen, und das hängt von ihrer Adaptionsfähigkeit ab. Aussagen:
- Ich finde mich schnell in neuen Situationen zurecht.
- Veränderungen kosten mich viel Überwindung.
- Ich kann von anderen immer etwas lernen.
- Meine Ansichten sind mir wichtig, aber nicht in Stein gemeißelt.
- Ich stehe für meine Überzeugungen.
Die besten Fragen zum Cultural Fit
Sie können bei Recruiting-Interviews Fragen zum Cultural Fit stellen. Wie viele Fragen Sie stellen, hängt ein wenig von der Stellenbeschreibung und Ihrer Unternehmensstruktur ab.
Warum Employer Branding für den Cultural Fit wichtig ist
Die Übereinstimmung mit Ihrer Unternehmenskultur hängt zu einem gewissen Grad davon ab, wie Sie sich selbst als Arbeitgeber*in präsentieren. Ihre Reputation hat einen großen Einfluss darauf, welche Talente Sie anziehen.
Interessent*innen schauen heute nicht alleine nach der Stellenbeschreibung, sondern nehmen Ihre Firma unter die Lupe. Sie wollen wissen, wie es ist, bei Ihnen zu arbeiten. Stimmen die Informationen mit den eigenen Wünschen und Bedürfnissen überein, werden sie sich bewerben.
Das funktioniert aber nur dann, wenn Ihr Employer Branding die Realität widerspiegelt. Oft genug kommt es vor, dass sich auf eine Stelle beworben wird, weil sich das Unternehmen von der besten Seite präsentiert. Schon in den ersten Wochen stellt sich dann heraus, dass die Vision zwar auf einer Wand in der Empfangshalle aufgeschrieben ist, tatsächlich aber keine Rolle in der Strategie des Unternehmens spielt.
Wenn dagegen vorhandene und ehemalige Mitarbeiter*innen Ihr Unternehmen in den höchsten Tönen loben und Sie ein gutes Ranking bei Bewerbungsplattformen haben, sind Bewerber*innen eher interessiert. Sie können dann detaillierter überprüfen, ob sie sich bei Ihnen wohlfühlen würden.
Welche Rolle sollte Cultural Fit im Recruiting spielen?
Nachdem lange Zeit die Soft Skills im Mittelpunkt von Recruiting-Anstrengungen gestanden haben, gewinnt nun der Cultural Fit an Bedeutung.
So wichtig es ist, dass Mitarbeiter*innen menschlich in ein Unternehmen passen, so sehr ist dies nur ein Faktor von vielen. Cultural Fit wurde lange Zeit nahezu außer Acht gelassen. Man verließ sich auf das Bauchgefühl im Bewerbungsgespräch und hoffte dann, dass es schon gut gehen würde und Mitarbeiter*innen sich integrieren würden.
Heute können Sie dieses Risiko kaum noch eingehen: Die Kosten und der Zeitaufwand für einen Recruiting-Prozess sind hoch, gerade bei Fachkräften und hochqualifizierten Mitarbeiter*innen ist es wichtig, die richtigen und passenden Kandidat*innen einzustellen. Sie wollen also so gut wie möglich wissen, ob ein*e Bewerber*in wirklich bleiben kann und wird.
Cultural Fit und soziale Kompetenz
Mit der Analyse des Cultural Fit werden Sie einige soziale Kompetenzen mit abdecken. Sie können die Fragen aus der oben stehenden Liste in den regulären Interviews verwenden oder aus den Antworten Schlüsse auf die soziale Kompetenz schließen.
Cultural Fit bedeutet in diesem Zusammenhang, dass jemand soziale Kompetenzen hat, die in Ihrem Unternehmen wichtig sind.
Das sind keine universell gültigen Eigenschaften. Für ein Sales-Team werden Sie jemanden benötigen, der*die gerne unter Druck arbeitet, Menschen mitreißen kann, aber auch in der Lage ist, hochgesteckte Ziele zu erreichen.
Die gleiche Person würde in anderen Positionen, zum Beispiel in der Produktentwicklung, eine Fehlbesetzung sein, selbst wenn es andere fachliche Qualifikationen gäbe. Unbestritten ist aber, dass heute Teamfähigkeit und Kollegialität in fast jedem Unternehmen gefragt sind.
Eine Sonderrolle spielen übrigens Arbeitsplätze, die ausschließlich im Homeoffice angesiedelt sind. Hier bekommt der Cultural Fit eine neue Bedeutung, denn die Person muss in der Lage sein, sich aus der Ferne integrieren zu können.
Das ist gerade bei neuen Mitarbeiter*innen nicht einfach, weil persönliche Kontakte eher gering sind und es sehr lange dauern kann, bis Sie merken, dass diese Person doch nicht ins Team passt. Bei Homeoffice lohnt es sich wirklich zu fragen, ob jemand bereits Erfahrung damit hat und welche Eindrücke diese Form der Arbeit hinterlassen hat.