Stay-Interviews, zu Deutsch Bleibegespräche, sind in Zeiten von Fachkräftemangel und der drohenden Kündigungswelle auch in deutschen HR-Abteilungen ein Thema.
Denn die meisten Unternehmen sind händeringend auf der Suche nach Personal. Dabei wird oftmals vergessen, dass es nicht nur darum geht, neue Talente zu finden, sondern auch die Bestehenden weiter an das Unternehmen zu binden.
Durch das Ungleichgewicht zwischen Jobsuchenden und offenen Stellen sind Angestellte in einer günstigen Position, wenn es zu Verhandlungen jeglicher Art mit Arbeitgeber*innen kommt.
Für Unternehmen bedeutet das, sich um die besten Arbeitskräfte zu bemühen und Kündigungen zu vermeiden.
Deswegen ist die neue Devise: lieber Bleibegespräche als Vorstellungsgespräche führen.
Denn Bleibegespräche, können verhindern, dass Arbeitnehmer*innen das Unternehmen überhaupt verlassen möchten.
In diesem Artikel erklären wir Ihnen
- was Bleibegespräche sind
- welche Fragen Sie am besten stellen können
- und wie wir bei Recruitee mithilfe von Stay-Interviews die Fluktuationsrate in nur einem Jahr um 4 % senken konnten.
Was sind Bleibegespräche?
Bleibegespräche sind Gespräche, die man regelmäßig mit seinen Angestellten führen sollte. Diese zielen darauf ab, eventuelle Kündigungsgründe bereits im Vorfeld zu erkennen, ihnen entgegenzuwirken und die Mitarbeitenden so im Unternehmen zu halten.
Im Allgemeinen gilt, dass Entwicklungsgespräche und Bleibegesprächen thematisch voneinander getrennt werden müssen.
Warum Sie Bleibegespräche führen sollten
Das Ziel von Bleibegesprächen ist es, eine Einschätzung zu den Faktoren zu erhalten, die für den Verbleib von Mitarbeitenden im Unternehmen entscheidend sind.
Während der Bleibegespräche werden auch Gründe für eine mögliche Kündigung angesprochen, auch wenn Arbeiternehmer*innen zu diesem Zeitpunkt eine Kündigung gar nicht in Betracht ziehen.
Dies hilft Ihnen dabei, Probleme frühzeitig zu erkennen und präventiv gegenzusteuern.
Welche Fragen Sie in einem Stay-Interview stellen können
Es gibt einige Themen, die in einem Bleibegespräch besprochen werden sollten, um einen Eindruck des Stimmungsbilds des Mitarbeitenden zu bekommen.
Entscheidende Faktoren können sein:
- Gehalt
- Unternehmenskultur
- Arbeitsklima
- Werte, die Mitarbeiter*innen im Unternehmen missen oder besonders wertschätzen.
Im Folgenden haben wir ein paar Fragen aufgelistet, die Sie Ihren Mitarbeiter*innen während des Stay-Interviews stellen können.
- Wie fühlst du dich in deiner Rolle? Fühlst du dich gefordert bzw. überfordert?
- Was hält dich hier bei uns?
- Welche Erfahrungen machst du mit unserer Unternehmenskultur? Was würdest du an unserer Kultur oder unserer Arbeitsweise als Unternehmen ändern?
- Findest du bei uns eine positive Work-Life-Balance?
- Was sind deine langfristigen beruflichen Ziele?
- Wenn du eine Sache an deiner Rolle hier ändern könntest, welche wäre das?
- Was könnte dich dazu veranlassen, dir eine andere Rolle in einem anderen Unternehmen zu suchen?
Mit wem sollten Stay-Interviews geführt werden?
Im Idealfall sollten mit allen Mitarbeiter*innen ein Bleibegespräch geführt werden. Jedoch, sollte in der Vorbereitung überlegt werden, mit welchen Funktionen oder Abteilungen begonnen wird. Die betreffende HR-Abteilung sollte bewerten, wie schwierig es ist, bestimmte Stellen zu besetzen und welche Mitarbeitenden essenziell für bestimmte Abläufe im Unternehmen sind.
Die Bleibegespräche werden auch mit Mitarbeitenden geführt, die nicht zwingend über eine Kündigung nachdenken. Dies kann den positiven Effekt haben, dass Unternehmen besser einschätzen können, wie es um das Wohlergehen der Belegschaft steht.
Außerdem kann so festgestellt werden, wie der Arbeitsalltag so angenehm wie möglich für alle Parteien gestaltet werden kann.
Die Vorteile von Bleibegesprächen
Das Führen von Bleibegesprächen kann verschiedene Vorteile für Unternehmen haben. Zum einen lohnen sich die Gespräche aus kostentechnischen Gründen. Zum anderen können sie die Mitarbeiterfluktuation senken und gezielt Talente fördern.
Kosten- und Zeitersparnis
13.852 Euro pro Stelle– so viel kostet ungewollte Mitarbeiterfluktuation ein Unternehmen mit 100 bis 1.000 Mitarbeitenden. Bei größeren Firmen liegen die Kosten durchschnittlich sogar bei 17.159 Euro pro Stelle. Dies zeigte eine in 2019 durchgeführte Studie von Deloitte Österreich.
Je mehr Personal das Unternehmen verlässt und je häufiger Stellen neu besetzt werden müssen, desto größer sind die Kosten.
Zudem sollten die Kosten für das Offboarding nicht vergessen werden. Zu den Kosten, die durch Mitarbeiterfluktuation entstehen, gehören:
- Recruiting
- Onboarding
- Einführung und Schulung
- Produktionsverluste in den ersten Monaten durch geringe Erfahrung
- Kosten durch Fehler
Unser Tipp: Eine moderne Recruiting-Software kann hier mit der Cost-to-Hire und Time-to-Hire Abhilfe schaffen und die genauen Kosten und Zeit von Neueinstellungen berechnen.
Mitarbeiterzufriedenheit
Darüber hinaus erhöhen Bleibegespräche die Mitarbeiterzufriedenheit. Transparenz und aktives Mitwirken können dazu führen, dass sich Mitarbeitende vom Unternehmen ernst genommen fühlen, dem Unternehmen wohlgesinnter sind und so automatisch lieber bleiben möchten.
Außerdem kann es für Mitarbeiter*innen motivierend sein, wenn sie wissen, dass Probleme offen gesprochen werden und sie Teil der Lösung sind.
Skills- und Kompetenzmanagement
Genau wie Entwicklungsgespräche können Bleibegespräche dabei helfen, Mitarbeiter*innen an den richtigen Stellen einzusetzen.
Durch Befragungen über Skills und Kompetenzen, sowie die langfristigen beruflichen Ziele, und Bestrebungen können Mitarbeiter*innen dort eingesetzt werden, wo es ihnen am meisten Spaß macht.
Die vorhanden Potenziale können dann effektiv genutzt und entstandene Lücken proaktiv geschlossen werden.
Dies erleichtert außerdem das interne Recruiting. Es bildet sich ein interner Talentpool heraus, aus dem Sie bei Bedarf schöpfen können.
Voraussetzungen für ein erfolgreiches Stay-Interview
Eine wichtige Voraussetzung für ein erfolgreiches Bleibegespräch ist, dass es vonseiten der Personalabteilung eine proaktive Auseinandersetzung mit der Möglichkeit gibt, dass Mitarbeitende kündigen könnten.
Darüber hinaus sollten die Ergebnisse von Bleibegesprächen dokumentiert und im Anschluss konkrete Maßnahmen ergriffen werden.
Dokumentieren Sie Ihre Ergebnisse
Wir empfehlen, Ergebnisse immer zu dokumentieren und dann direkt im Anschluss auszuwerten. Während bei individuellen Problemen im besten Fall unmittelbar Abhilfe geschaffen werden kann, sollten die Verantwortlichen schauen, dass sie wiederkehrende Probleme strukturell behandeln.
Definieren Sie konkrete Maßnahmen
Bleibegespräche sollte nur Teil der Unternehmensstrategie sein, wenn es seitens der Unternehmensführung das Ziel gibt, die Ergebnisse auch umzusetzen. Das bedeutet, dass nach Abschluss der Bleibegespräche mit der Belegschaft, konkrete Maßnahmen und Strategien abgeleitet werden sollten.
Unterstützend können die Bleibegespräche auch von Umfragen zur Mitarbeiterzufriedenheit, begleitet werden. Dadurch können Unternehmen ungefähr abschätzen, wie wohl sich die Mitarbeitenden im Unternehmen fühlen.
So werden Stay-Interviews bei Recruitee gemacht
Wie z. B. das Handelsblatt bereits berichtet hat, gehört es auch bei Recruitee zur Praxis der HR-Abteilung, regelmäßig Gespräche zu führen. Damit die Mitarbeitenden sich in dem Gespräch auch wohlfühlen, werden Bleibegespräche möglichst informell und entspannt abgehalten. „Menschen mögen es, über diese Dinge zu sprechen. Man muss ihnen nur einen sicheren Rahmen dafür bieten“, sagt Rebecca Taylor-Clarke, Managerin des People Teams.
Menschen mögen es, über diese Dinge zu sprechen. Man muss ihnen nur einen sicheren Rahmen dafür bieten.
Dazu gehöre es auch, klar zu kommunizieren, dass alles Gesagte unter den Anwesenden bleibt. Außer natürlich, wenn dies ausdrücklich von der Seite der Mitarbeitenden anders gewünscht ist.
Senkung der Fluktuationsrate bei Recruitee
Durch die Bleibegespräche konnte Recruitee einen positiven Effekt auf die Fluktuationsrate zwischen 2020 und 2021 feststellen.
Diese Zahl ist ein guter Kennwert dafür, die Effektivität von Retention-Maßnahmen zu evaluieren. „Nach der Einführung von Bleibegesprächen sank die Mitarbeiterfluktuationsrate bei Recruitee deutlich – von 22 Prozent im Jahr 2020 auf 18 Prozent im Jahr 2021“, so Rebecca Taylor-Clarke, Head of People bei Recruitee.
Nach der Einführung von Bleibegesprächen sank die Mitarbeiterfluktuationsrate bei Recruitee deutlich - von 22 Prozent im Jahr 2020 auf 18 Prozent im Jahr 2021.
Stay-Interviews sind Teil einer umfassenden HR-Strategie
Grundsätzlich muss man sagen, dass die Durchführung von Bleibegesprächen nur ein Teil einer umfassenderen HR-Strategie ist.
Ihre HR-Strategie sollte darauf abzielen, die Mitarbeiterbindung zu erhöhen und dem mittlerweile fast globalen Trend der „Great Resignation“ entgegenzuwirken.
Noch entscheidender, um die Abwanderung zu verhindern, ist es jedoch den Worten auch Taten folgen zu lassen.
Im Anschluss an die Gespräche gilt es daher unbedingt die umsetzbaren Verbesserungen anzugehen, die sich daraus ergeben.
Zusammenfassend sind Bleibegespräche eine sehr gute Möglichkeit, Mitarbeitende im Unternehmen zu halten und so Kosten für Neueinstellungen zu sparen.