Abwerbung von Mitarbeiter*innen: Die Vor- und Nachteile

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2021
16.3.21
19/8/2022
19/8/2022
Minuten Lesedauer
Leon Hauber
Abwerbung von Mitarbeiter*innen der Konkurrenz kann eine erfolgreiche Recruiting-Strategie sein - Sie müssen die Grenzen des Erlaubten beachten.
Inhalt

Im Recruiting müssen Sie heute kreativ sein und manchmal etwas ungewöhnliche Wege gehen, um gute Talente zu finden. Neben Stellenanzeigen und einem guten Employer Branding können Sie gezielt Personen ansprechen, die die gesuchten Qualifikationen haben. Sie erreichen sie heute entweder über Stellenanzeigen, die ihnen in Business-Netzwerken angezeigt werden, oder auf eine alte, aber durchaus wirksame Art und Weise: die Abwerbung von Mitarbeiter*innen der Konkurrenz.

Mitarbeiter*innen abzuwerben hat immer noch einen negativen Beigeschmack, was verständlich ist, wenn Sie der*die Leittragende sind. Niemand möchte gerne seine besten Leute an die Konkurrenz verlieren. Gleichzeitig werden Sie als Recruiter*in aber auch alles daran setzen müssen, die besten Kandidat*innen für eine Stelle zu finden. Und da spielt es erst einmal keine Rolle, ob sie noch in einem Arbeitsverhältnis sind oder nicht.

Allerdings gibt es Grenzen bei dem, was erlaubt ist und was nicht. Sie werden durch das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb und die entsprechende Rechtsprechung gesetzt. Wer sich aber im Rahmen des Erlaubten bewegt, kann das Abwerben von Mitarbeiter*innen durchaus als einen wirksamen Recruiting-Kanal benutzen.

Wo die Abwerbung von Mitarbeiter*innen an Grenzen stößt

Es gibt im Geschäftsverkehr einer Marktwirtschaft nicht viele Regeln, die Vertragsfreiheit wird großgeschrieben. Da ein Arbeitsvertrag darunter fällt, darf jede Frau und jeder Mann selbst entscheiden, wo er*sie arbeitet. Ebenso ist es Unternehmen erlaubt, für eine Stelle zu werben und potenzielle Kandidat*innen anzusprechen. Hier kommen die ersten Barrieren. Solange Sie im Rahmen des Erlaubten bleiben, sind Abwerbeversuche kein Problem. Was aber ist erlaubt und vor allem, was ist bei der Abwerbung von Mitarbeiter*innen verboten?

Zunächst einmal spielt die Intention eine Rolle. Wenn Sie Mitarbeiter*innen abwerben wollen, weil sie auf eine Stelle passen und Ihnen geeignet scheinen, ist das kein Problem.

Untersagt ist die Abwerbung von Mitarbeiter*innen aber in folgenden Fällen:

  • Wenn Sie sie abwerben wollen, um Ihrer Konkurrenz damit zu schaden
  • Wenn Sie von ihnen Firmengeheimnisse des*der bisherigen Arbeitgeber*in erfahren wollen
  • Wenn Sie berufliche Kontakte, zum Beispiel das Adressbuch von Vertriebler*innen nutzen wollen
  • Wenn die Stellenbeschreibung falsch oder irreführend ist
  • Wenn Sie versuchen, den*die bisherige*n Arbeitgeber*in zu verleumden und falsche Behauptungen aufzustellen

Eine besondere Form sind vertragliche Abwerbeverbote. Wenn Sie zum Beispiel eine Firma beauftragen, den Vertrieb für Sie zu übernehmen, dann ist ein solches Abwerbeverbot durchaus üblich. Allerdings gibt es dazu eine entsprechende Rechtsprechung, die es einschränkt. Der BGH hat 2014 höchstinstanzlich entschieden:

a) Grundsätzlich stellen nicht nur Einstellungsverbote, sondern auch Vereinbarungen zwischen Unternehmer*innen, sich nicht gegenseitig Arbeitskräfte abzuwerben, gerichtlich nicht durchsetzbare Sperrabreden im Sinne von § 75f HGB dar.

b) Derartige Abwerbeverbote fallen allerdings nicht in den Anwendungsbereich des § 75f HGB, wenn sie nur Nebenbestimmungen der Vereinbarung sind und einem besonderen Vertrauensverhältnis der Parteien oder einer besonderen Schutzbedürftigkeit einer der beiden Seiten Rechnung tragen.

c) Ein zwischen zwei Unternehmen im Hinblick auf einen gemeinsamen Vertrieb vereinbartes Abwerbeverbot darf grundsätzlich einen Zeitraum von zwei Jahren nach Beendigung der Zusammenarbeit nicht überschreiten.

Darüber hinaus gibt es weitere Interpretationen dessen, was als unlauterer Wettbewerb verstanden werden kann. So dürfen Sie nicht die Übernahme von Vertragsstrafen versprechen, die jemand bei vorzeitiger Kündigung bezahlen müsste. Sie dürfen keinen Druck auf Kandidat*innen ausüben, doch die Stelle zu kündigen. Und: Wenn Sie bei der Konkurrenz jemanden erfolgreich abwerben konnten, darf diese Person, solange das Arbeitsverhältnis noch besteht, keine Kolleg*innen abwerben. Ein unverbindlicher Hinweis auf Sie als neue*n Arbeitgeber*in ist natürlich kein Problem.

Selbst wenn Sie eine*n Headhunter*in beauftragen, gibt es Grenzen. Diese*r darf zwar Personen während deren Arbeitszeit anrufen, muss sich aber dabei kurz halten und bei der Wahrheit bleiben. Der Telefonzentrale zu sagen, man sei ein*e Kund*in, um durchgestellt zu werden, überschreitet bereits die Grenze des Erlaubten. Wenn die Person, die Sie im Auge haben, beim ersten Anruf dankend ablehnt, darf zumindest während der Arbeitszeit kein weiterer Kontakt erfolgen. Und: Treffen und weitere Gespräche mit Headhunter*innen oder Ihren Recruiter*innen müssen außerhalb der Arbeitszeit – und des Arbeitsplatzes – erfolgen.

Die Vorteile der Abwerbung von Mitarbeiter*innen

Soweit der Rahmen, in dem Sie sich bewegen dürfen. Abwerben als Recruiting-Strategie ist heute gang und gäbe. Im Top-Management wird fast ausschließlich mit Headhunter*innen gearbeitet. Das Geschäft mit der Suche nach Manager*innen aus der Führungsebene macht laut dem Bundesverband der Personalmanager*innen fast 80 Prozent aus. Im Jahr 2018 wurden über 70.000 Stellen von Headhunter*innen besetzt. Eine Stelle für den CEO wird selten in einer Jobbörse geschaltet. Hier kommen aktive Recruiter*innen ins Spiel, die ebenso aus Ihrem Unternehmen selbst kommen können.

Einer der größten Vorteile von Abwerbungen ist, dass Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit viele Informationen über die Person haben, die angesprochen werden soll. Das ist selbst bei der mittleren Führungsebene der Fall. Sie müssen sich nicht auf Lebensläufe, Online-Profile und Einstellungstests verlassen. Gerade wenn die Abzuwerbenden aus der eigenen Branche kommen, wissen Sie recht gut, auf wen Sie sich einlassen.

Wenn Sie selbst als HR-Verantwortliche*r oder gar als Geschäftsführer*in auf interessante Kandidat*innen zugehen, bringt das eine Menge an Gewicht mit. Es schmeichelt Menschen, wenn sie umworben werden. Und je höher gestellt (oder je attraktiver) die umwerbende Person ist, umso schwieriger ist es, die Offerte abzulehnen.

Je mehr Informationen Sie über eine infrage kommende Person haben, umso mehr können Sie abschätzen, ob sich der Aufwand lohnt. Unzufriedene Angestellte lassen oft ihren Frust in sozialen Netzwerken ab, das kann ein Indikator für Sie sein, ob jemand für eine neue Herausforderung offen ist. Sie können auf LinkedIn schauen, ob jemand “Offen für Stellenangebote” angeklickt hat.

Mit einer direkten Abwerbung von Mitarbeiter*innen, gerade wenn sie auf Empfehlungen und guten Recherchen beruht, fahren Sie oftmals besser als mit einem klassischen Bewerbungsprozess. Allerdings ist der zeitliche Aufwand höher und die Erfolgschancen nicht immer gegeben.

Wichtige Tipps für das Abwerben von Mitarbeiter*innen

Wenn Sie Mitarbeiter*innen abwerben möchten, sind nicht nur die gesetzlichen Rahmenbedingungen wichtig. Abwerben ist ein aufwändiger Prozess, der die Kosten pro Recruiting schnell in die Höhe treiben kann, wenn Sie sich nicht auf bestimmte Personen konzentrieren.

1. Profil erstellen

Wenn Sie noch keine bestimmte Person ausgewählt haben und die Abwerbung eine Ihrer Recruiting-Strategien ist, sollten Sie ein detailliertes Anforderungsprofil haben. Dieses beschreibt sowohl die Stelle als auch die Person, die für diese Stelle gesucht wird. Versehen Sie das Profil mit bestimmten Schlüsselwörtern, wie sie bei LinkedIn zu finden sind – so können Sie schneller passende Kandidat*innen finden.

2. Behutsam vorgehen

Bei einer Abwerbung sollten Sie es langsam, aber bestimmt angehen lassen. Kontaktieren Sie die Zielperson am besten über E-Mail oder einen Anruf in der Mittagspause. Fragen Sie auf jeden Fall nach, ob Sie sich noch einmal melden dürfen, sollte die Person gerade beschäftigt sein. Sie sollten klarmachen, dass Sie eine Stelle anzubieten haben.

3. Abwerbung auf Stelle beziehen

Bei einem Treffen oder weiteren Gesprächen sowie E-Mails sollten Sie die Kommunikation auf die Stelle beziehen. Es ist nicht nur gegen das Wettbewerbsrecht, über die Konkurrenz herzuziehen, es ist auch schlechter Stil. Bei einer Abwerbung wollen Sie etwas von Ihrem Gegenüber, Sie müssen sich und Ihr Unternehmen also im besten Licht darstellen. Stellen Sie die Vorzüge Ihres Unternehmens dar, warum Sie glauben, dass Ihr*e Gesprächspartner*in dafür geeignet ist.

4. Verbindlich sein

Abwerbungen dauern manchmal etwas länger, weil man jemanden aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis herausholen möchte, in dem sich diese*r vielleicht sehr wohlfühlt. Sie sollten deutlich machen, dass Sie diese Person unbedingt einstellen möchten, ohne dabei aber zu drängeln. Je glaubwürdiger Sie sind, umso eher werden Sie Ihr Gegenüber überzeugen können.

5. Headhunter*innen einsetzen

Sollten Sie keine Ressourcen haben, um selbst geeignete Personen abzuwerben, dann können Sie natürlich Headhunter*innen einsetzen. Allerdings sollten Sie wissen, dass diese recht ordentliche Kommissionen nehmen, im Durchschnitt 30 Prozent des Gehalts, das für die Stelle vereinbart wird. Außerdem besteht das Risiko, dass gerade kleinere Firmen nicht die Kontakte und Qualifikationen haben, die Sie für diese Aufgabe benötigen. Eine Ausnahme sind Personalberater*innen, die sich auf bestimmte Branchen konzentriert haben. Versuchen Sie auf jeden Fall, die Firma, die Sie beauftragen möchten, vorher unter die Lupe zu nehmen.

So schützen Sie sich vor dem Abwerben von Mitarbeiter*innen durch die Konkurrenz

Abwerbungen bringen Ihnen nicht nur passende Führungskräfte. Sie können sich auch gegen Sie richten, wenn es die Konkurrenz auf einige Ihrer besten Leute abgesehen hat. Das ist natürlich deren gutes Recht, gleichwohl müssen Sie die Abwerbeversuche nicht einfach hinnehmen. Um sich vor Abwerbungen durch die Konkurrenz zu schützen, müssen Sie allerdings vor dem ersten Versuch mit Maßnahmen beginnen.

1. Vertrauen schaffen

Sie können Ihrer Belegschaft erklären, dass Sie bei einem Abwerbeversuch immer ein offenes Ohr haben. Sie können jederzeit mit Ihnen über ihre Stelle reden und darüber diskutieren, was verbessert werden kann, um eine Kündigung zu vermeiden. Wenn Ihre Mitarbeiter*innen Ihnen vertrauen, dann werden sie bei einem Abwerbeversuch zu Ihnen kommen. Etwas schwierig wird es, wenn dieses Angebot missverstanden wird und Mitarbeiter*innen zu Ihnen kommen und Abwerbeversuche an Kolleg*innen melden. Zum einen ist das für Sie eine wertvolle Information, zum anderen wollen Sie aber nicht, dass sich Kolleg*innen untereinander ausspionieren.

2. Glückliche Angestellte

Es mag etwas kitschig klingen, aber Glücklichsein spielt eine große Rolle, wenn es darum geht, ob jemand mit dem Arbeitsplatz zufrieden ist. Wer sich bei Ihnen wohlfühlt, einen erfüllenden Job hat, der vielleicht sogar sinnstiftend ist, und bei dem Beruf und Familie vereinbar sind, wird sich genau überlegen, ob das alles aufgegeben werden soll. Der beste Schutz gegen Abwerbeversuche ist, Arbeitnehmer*innen zu haben, die Ihr Unternehmen nicht verlassen wollen.

3. Das Ohr an der Belegschaft haben

Unzufriedene Mitarbeiter*innen sind leichter von einer neuen Stelle zu überzeugen als solche, die gerne bei Ihnen arbeiten. Allerdings ist es eine Herausforderung, zu wissen, in welchem Gemütszustand Ihre Angestellten gerade sind. Um herauszufinden, wie die Stimmung ist, können Sie mehrere Mittel einsetzen:

  • Mitarbeiter*innen-Befragungen
  • Mitarbeiter*innen-Gespräche
  • Team-Meetings
  • Datenanalyse (Anstieg von Krankheitstagen, geringere Produktivität, sinkende Umsätze, mehr Reklamationen)

4. Mitarbeiter*innen motivieren

Je aktiver Sie eine Rolle bei der Motivation Ihrer Arbeitnehmer*innen spielen, umso überzeugender sind die Maßnahmen. Die Zufriedenheit hängt immer davon ab, wie sich ein Unternehmen um seine Mitarbeiter*innen bemüht. Wer motiviert ist und Ziele erreichen will, wird sich eher nicht für eine neue Stelle interessieren. Das bedeutet, dass Sie immer wieder neue Wege finden müssen, die Motivation aufrechtzuerhalten. So können Sie Ihren Teams immer wieder neue Aufgaben und Herausforderungen geben, an denen sie sich beweisen können – sie müssen aber realistisch sein. Denn zu viel Druck kann schnell den umgekehrten Effekt haben.

Neben Gehaltsanpassungen und Sonderleistungen wie einem Bonus, Dienstwagen oder Jobticket sind Maßnahmen möglich, die die Stimmung in der Belegschaft fördern. Teambuilding ist hier ganz oben auf der Liste. Enge Bindungen, zum Teil privat, sind oft ein Grund, warum man sich mit einer Kündigung schwertut. Bei 37 Prozent der Kündigungen wird ein schlechtes Betriebsklima angegeben. Das sagt im Umkehrschluss, dass ein gutes Betriebsklima Kündigungen verhindern kann. Wenn alle motiviert sind, ziehen sie an einem Strang, und da möchte keiner so einfach loslassen.

5. Genaue Vertragsgestaltung

Ein Arbeitsvertrag kann Klauseln enthalten, bei denen Mitarbeiter*innen sich genau überlegen, ob sie wirklich die Stelle aufgeben sollen. Zum Beispiel kann es untersagt sein, dass ein Partnerunternehmen Angestellte abwirbt. Manche Firmen versuchen, ein Wettbewerbsverbot mit einer Sperrfrist in den Vertrag zu schreiben, in der Arbeitnehmer*innen nicht bei einem Konkurrenzunternehmen arbeiten dürfen. Allerdings werden solche Klauseln immer wieder von Arbeitsgerichten kassiert, vor allem wenn es keine entsprechenden Entschädigungszahlungen gibt. Das ist übrigens auch der Fall, wenn während der Übergangszeit Arbeitslosengeld beantragt wird. Nach einem Urteil des Landgerichts Köln darf dieses nicht auf die Entschädigung angerechnet werden.

6. Rechtliche Schritte

Wenn Ihre Mitbewerber*innen die Grenze des Erlaubten überschreiten, dann können Sie natürlich Ihre Rechtsabteilung zurate ziehen. Die Rechtsprechung bei unlauterem Wettbewerb ist ziemlich eindeutig und hat schon einige Firmen und Headhunter*innen in ihre Schranken verwiesen. Gegen einen kurzen Anruf eines*einer Headhunter*in werden Sie nichts machen können, allerdings gegen alles, was über die sogenannte notwendige Kontaktaufnahme hinausgeht.

Der BGH hat zum Beispiel entschieden: „Werden dem Arbeitnehmer eines Mitbewerbers bei einem ersten Telefongespräch Daten zu dessen Lebenslauf und bisherige Tätigkeiten vorgehalten, so geht dies über das für eine erste Kontaktaufnahme Notwendige hinaus und ist wettbewerbswidrig (BGH-Urteil vom 22.11.2007 - I ZR 183/04).“ Manchmal kann das schon ausreichen, um Mitarbeiter*innen davon zu überzeugen, dass Sie bereit sind, für ihren Verbleib zu kämpfen. Wenn unlautere Methoden aber erst spät offenbar werden und das Kind in den Brunnen gefallen ist, wird es schwer, eine Kündigung wieder rückgängig machen zu können.

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