Was zeichnet erfolgreiche Unternehmen aus, die sich schon über Jahre am Markt behaupten? Sie sind ständig bereit, sich neu zu erfinden.
Veränderung ist für diese Firmen ein permanenter Zustand, denn ihre Strukturen und Abläufe sind flexibel und agil angelegt. Diese Unternehmen müssen keine Einzelfälle bleiben, denn jeder Betrieb kann lernen, sich weiterzuentwickeln. Genau damit beschäftigt sich das Konzept der Organisationsentwicklung (kurz OE).
In diesem Artikel erklären wir, was es mit diesem recht abstrakten Begriff auf sich hat. Sie erfahren alles über Ziele, Widerstände, Modelle und Methoden. So können Sie nicht nur mitreden, sondern einen Organisationsentwicklungsprozess in Ihrem Unternehmen anstoßen.
Was ist Organisationsentwicklung?
Der Begriff der Organisationsentwicklung (englisch: organizational development) wurde bereits nach Ende des Zweiten Weltkriegs am MIT in den USA geprägt. Darunter ist ein langfristiger, geplanter und systematischer Lern- und Entwicklungsprozess eines Unternehmens zu verstehen. Unter größtmöglicher Beteiligung der Belegschaft sollen die Strukturen und Prozesse sowie die Unternehmenskultur und das Verhalten der Mitarbeiter*innen positiv verändert werden. Dafür werden sozial- und verhaltenswissenschaftliche Methoden herangezogen.
Was ist das Ziel der Organisationsentwicklung?
Mithilfe von OE will eine Firma insgesamt effizienter und erfolgreicher werden. Sie möchte sich zu einer lernenden Organisation entwickeln, die sich aus eigener Kraft beständig anpassen und verbessern kann. Im einzelnen verfolgen die meisten Unternehmen damit die folgenden Ziele:
- Leistungsfähigkeit des Betriebs steigern
- Arbeitsabläufe optimieren
- Flexibilität und Veränderungsbereitschaft erhöhen
- Innovationsfähigkeit fördern
- Strategische Ziele erreichen
- Arbeitsqualität und Arbeitsbedingungen verbessern
- Individuelle Entfaltung des einzelnen Menschen ermöglichen
- Mitarbeiter*innen-Bindung und Mitarbeiter*innen-Zufriedenheit steigern
Warum ist Organisationsentwicklung jetzt wichtig?
Kurz gesagt: um wettbewerbsfähig zu bleiben.
In einer globalisierten Welt konkurrieren Firmen schon lang nicht mehr nur mit regionalen, sondern auch mit internationalen Anbieter*innen. Durch den rapiden technologischen Fortschritt verkürzen sich außerdem die Innovationszyklen. Etablierte Geschäftsmodelle werden dadurch überholt und müssen ständig neu erfunden werden.
Gleichzeitig findet ein Wertewandel in der Gesellschaft statt. Jüngere Generationen stellen jetzt andere Anforderungen an ihre Arbeitgeber*innen. Beispielsweise spielen das Verhältnis von Freizeit und Arbeit sowie die Sinnhaftigkeit der Tätigkeit eine immer größer werdende Rolle. Flexible Arbeitszeiten sowie moderne Arbeitsweisen werden ohnehin vorausgesetzt.
Unternehmen sind jetzt gezwungen, sich permanent zu verändern, um mit den inneren und äußeren Entwicklungen Schritt halten zu können. Eingefahrene Prozesse und strikte Strukturen hemmen diesen nötigen Wandel. Organisationsentwicklung hilft dabei, diese aufzubrechen, Lernprozesse anzustoßen und neue Ansätze zu finden.
Wie grenzt sich Organisationsentwicklung ab?
In Unternehmen laufen ständig Veränderungsprozesse ab. Daher ist es wichtig zu verstehen, wie sich OE unterscheidet. OE zeichnet sich durch die folgenden Merkmale aus:
- ist als mittel- bis langfristiger Prozess angelegt, der das gesamte Unternehmen betrifft
- beruht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, wie und warum sich Organisationen und deren Mitarbeiter*innen verändern
- ist prozessorientiert, statt zielorientiert
- ist partizipativ angelegt, denn alle Betroffenen sollen aktiv mitwirken
- erfordert Moderation, welche den Prozess begleitet und lenkt
Auf den ersten Blick wird dieses Konzept oft mit Change Management verwechselt – aber es gibt wichtige Unterschiede. Beispielsweise wird Change Management für konkrete Veränderungsprojekte mit einem festgelegten Ziel genutzt. Im Gegensatz dazu ist die Organisationsentwicklung auf Dauer angelegt. Hier steht die Veränderung an sich im Vordergrund und nicht das Erreichen eines finalen Zustands.
Widerstände gegen erfolgreiche Organisationsentwicklung
Veränderungsversuche treffen oft auf Widerstand, auch wenn sie die besten Absichten haben. OE kann in Ihrer Belegschaft durchaus kritisch gesehen werden. Dies sind beispielhafte Auslöser für Ablehnung:
- Generelle Angst vor Veränderung und Bequemlichkeit
- Angst vor negativen Konsequenzen, z. B. Arbeitsplatzverlust
- Unsicherheit durch falsche Annahmen und Vorurteile
- Fehlendes Vertrauen in die Unternehmensführung
- Negative Erfahrungen mit früheren Veränderungsprozessen
Es muss allerdings nicht zum Widerstand gegen den Wandel kommen. Sie können diesem vorgreifen, indem Sie die folgenden Modelle für die Organisationsentwicklung nutzen.
Modelle zur Organisationsentwicklung
Der Organisationsentwicklungs-Prozess hat viele Facetten und es gibt keinen festgeschriebenen Ansatz, der einen Erfolg garantiert. Allerdings haben sich über die Jahre hinweg hilfreiche Modelle etabliert, die Unternehmen erste Ansätze liefern, um einen individuellen Prozess zu kreieren.
Top-Down vs. Bottom-Up
Das erste Modell beschreibt, aus welcher Richtung die Veränderungen angestoßen werden.
Wird die Veränderung von der Unternehmensleitung, also „von oben herab“ angestoßen, dann nennt man dies Top-Down. Die Mitarbeiter*innen sind folglich in der Pflicht, die neuen Vorgaben umzusetzen. Das Problem dabei ist, dass Veränderungen quasi aufgezwungen werden, da die Belegschaft nicht an der Entscheidungsfindung beteiligt war. Das führt dazu, dass sie weniger motiviert ist oder sogar Widerstand leistet.
Gehen die Veränderungen von den Mitarbeiter*innen aus, dann spricht man von Bottom-Up. Diese nehmen Fehlentwicklungen sowie Schwachstellen wahr und entwickeln aktiv Verbesserungsvorschläge, welche sie an die Geschäftsleitung weitergeben. Werden Veränderungen „von unten her“ angestoßen, finden sie in der Regel eine große Akzeptanz in der Belegschaft. Allerdings fehlt bei diesem Ansatz meist ein Blick auf das Unternehmen als Ganzes.
Idealerweise findet OE im Gegenstromverfahren statt. Dies ist eine Kombination der beiden oben beschriebenen Modelle. Hierbei erkennt die Geschäftsführung die Notwendigkeit zur Veränderung und schafft Möglichkeiten, um Verbesserungsvorschläge von der Belegschaft zu sammeln. Mitarbeiter*innen werden daraufhin in die Neugestaltung von Strukturen und Prozessen mit einbezogen.
Das 3-Phasen-Modell nach Lewin
Dieses Modell wurde schon 1947 von Kurt Lewin, dem Begründer der Organisationsentwicklung, vorgestellt. Es beschreibt die drei kritischen Phasen, die jeder erfolgreiche Veränderungsprozess durchläuft.
1. Unfreezing (Auftauen)
Diese Phase ist zur Vorbereitung der geplanten Veränderungen nötig. Dazu gehören die Analyse des Status Quo, die Definition von Zielen und der Beginn der Kommunikation mit allen Betroffenen. Jetzt müssen auch die Kräfte identifiziert und reduziert werden, welche die aktuellen Strukturen und Verhaltensweisen auf der Stelle halten.
2. Moving (Verändern)
In dieser Phase finden die tatsächlichen Veränderungen statt. Jetzt werden die geplanten Maßnahmen umgesetzt und der Prozess durch die Verantwortlichen gesteuert und überwacht. Damit diese Phase erfolgreich verläuft, sollten die folgenden Voraussetzungen geschaffen werden:
- Alle Betroffenen sollten davon überzeugt sein, dass die aktuelle Situation nicht mehr akzeptabel und nutzbringend ist.
- Mitarbeiter*innen und Führungskräfte sollten aktiv an der Identifikation von Problemen und Lösungen teilgenommen haben.
- Alle Betroffenen sollten die Sicherheit haben, dass die bevorstehenden Veränderungen nicht mit negativen Konsequenzen für sie verbunden sind.
3. Freezing (Stabilisieren)
In der letzten Phase werden die neuen Prozesse und Verhaltensweisen stabilisiert und gefestigt. Sie sollen nun stetig in die Unternehmenskultur übergehen. Zunächst muss noch überwacht werden, ob es keine Rückfälle in alte Prozesse gibt. Notfalls müssen zusätzliche Maßnahmen ergriffen werden.
Das 8-Stufen-Modell nach Kotter
John P. Kotter, eine Koryphäe auf dem Gebiet der Veränderungsprozesse, entwickelte 1996 das 3-Phasen-Modell von Kurt Lewin weiter. Ausschlaggebend waren Studien, dass ganze 70 % aller Veränderungsversuche innerhalb von Unternehmen scheitern. Sein 8-Stufen-Modell gibt Unternehmen wertvolle Tipps, wie sie Veränderungen erfolgreich umsetzen können:
1. Dringlichkeit erzeugen
Arbeits- und Führungskräfte müssen zunächst verstehen, warum sich das Unternehmen verändern muss. Dafür können Sie Szenarien entwickeln, die demonstrieren, was passieren würde, wenn kein Wandel vollzogen wird. Auch die möglichen positiven Folgen der Veränderung können Sie aufzeigen.
2. Führungsteam etablieren
Veränderungsprozesse brauchen ein Team, das sie kontinuierlich vorantreibt. Dieses sollte aus einem guten Mix aus Führungskräften und Mitarbeiter*innen aus verschiedenen Unternehmensbereichen zusammengesetzt sein.
3. Vision und Strategie entwickeln
Die Vision gibt die klare Richtung vor, in die sich Ihr Unternehmen entwickeln will. Zusammen mit konkreten Strategien, wie das Ziel erreicht werden soll, schafft dies positive Zugkraft für die bevorstehenden Veränderungen.
4. Vision kommunizieren
Die gemeinsame Vision sollte stetig kommuniziert werden, damit alle Beteiligten immer das Ziel vor Augen behalten. Dadurch bleibt die Motivation für die Veränderungen hoch.
5. Hindernisse beseitigen
Eingefahrene Prozesse, starre Hierarchien und alte Gewohnheiten stehen oft dem Wandel im Weg. Ihre Geschäftsführung sollte diese Hemmnisse möglichst frühzeitig erkennen und beseitigen. Um Veränderungen in die Tat umzusetzen, benötigen Ihre Arbeitskräfte die nötigen Freiräume und Befugnisse.
6. Kurzfristige Erfolge sichtbar machen
Organisationsentwicklung ist ein langwieriger Prozess. Wenn Sie allerdings Zwischenziele definieren, die sich schnell erreichen lassen, können Sie bald die ersten Erfolge feiern. Alle Beteiligten spüren, dass sich der Aufwand lohnt, und die Motivation bleibt erhalten.
7. Veränderungen laufend vorantreiben
Damit Ihr Unternehmen wirklich zu einer lernenden Organisation wird, müssen stetig neue Veränderungen angestoßen werden. Das klappt, indem Sie bisherige Ergebnisse und Fortschritte analysieren und Möglichkeiten zur Optimierung aufzeigen. Mit neuen Ideen können Sie dann die nächste Welle der Veränderung auslösen.
8. Veränderungen in der Unternehmenskultur verankern
Nur wenn die neuen Prozesse und Verhaltensweisen den Betroffenen in Fleisch und Blut übergegangen sind, spricht Kotter von einem erfolgreichen Veränderungsprozess. Der stetige Wandel soll in Ihrem Unternehmen zur Normalität werden.
Methoden für die Organisationsentwicklung
Bedauerlicherweise gibt es keinen einheitlichen Katalog von Instrumenten zur OE. Da das Konzept für unterschiedliche Ziele und Zwecke angewendet werden kann, kann auch eine Vielzahl von Methoden zum Einsatz kommen. Hier ein paar Beispiele:
- Selbstbewertungsmethoden, wie die Balanced Scorecard
- Umfragen unter den Mitarbeitenden und anderen Betroffenen, wie Lieferant*innen, Kund*innen, Geschäftspartner*innen oder Investor*innen
- Tiefgehende Interviews mit ausgewählten Stakeholdern, um die Ergebnisse von Umfragen weiter zu ergründen
- Moderierte Workshops zur Lösung von Konflikten und Erarbeitung von Konzepten und Strategien
- Aktivitäten zur Teamentwicklung
Generell gilt, dass alle eingesetzten Instrumente einer unabhängigen Moderation bedürfen, denn die Interessen aller Beteiligten müssen zu jeder Zeit berücksichtigt werden. Dies können sowohl geschulte Arbeitskräfte als auch externe Berater*innen übernehmen.
Organisationsentwicklung und Recruiting
Das Recruiting ist eine wichtige Funktion, die OE natürlich nicht außer Acht lassen kann. Zum einen kann die Optimierung der Arbeitsabläufe eine positive Candidate Experience für Ihre Bewerber*innen schaffen. Zum anderen können auch interne Prozesse verbessert und modernisiert werden, was Ihre Arbeit als Recruiter*in einfacher macht.
Ein Ansatz dafür ist der Einsatz einer Recruitment-Software wie Recruitee. Beispielsweise können Sie Ihre Stellenanzeigen mit wenigen Klicks auf allen relevanten Kanälen bewerben und mit Talent Pools ein Netzwerk aus geeigneten Kandidat*innen aufbauen. Dank Bewerber*innen-Management automatisieren Sie Aufgaben, die vorher manuell und zeitaufwendig waren. Und mit Datenanalysen und künstlicher Intelligenz behalten Sie alle Ihre KPIs im Blick und können sogar Ihren Erfolg vorhersagen.