Wir alle haben sicherlich schon mal eine*n Vorgesetze*n erlebt, der*die alles unter Kontrolle haben wollte. Oder Sie selbst haben sich dabei ertappt, Ihre Mitarbeiter*innen immer wieder zu fragen, was sie gerade machen, wie der Stand des Projekts ist, oder ihnen gar stündlich Aufgaben zugeteilt. Dass Vorgesetzte sich um Einzelheiten kümmern, ist an sich nichts Schlimmes. Problematisch wird es, wenn sie sich in jedes Details der Arbeitnehmer*innen einmischen. Dann sinkt die Motivation, Frust baut sich auf und irgendwann leidet die Produktivität unter diesem Micromanagement.
Was ist Micromanagement?
Wenn sich Vorgesetzte ständig in die tägliche Arbeit der Angestellten einmischen und alles, was diese tun überwachen, spricht man von Micromanagement. Statt der Belegschaft oder dem Team einen Rahmen zu geben und Unterstützung zu bieten, werden ständig Details abgefragt. Bei den Arbeitsprozessen kommt es häufig vor, das diese Vorgesetzten jede E-Mail sehen oder gar genehmigen wollen, die an Kund*innen und Führungskräfte herausgeht. Es kommt sogar vor, dass die Abteilungs- oder Geschäftsleitung alle E-Mails der Mitarbeiter*innen liest oder zumindest lesen kann.
Micromanagement ist Kontrolle auf unterster Ebene und selten dort notwendig. Diese Kontrolle wird auf unterschiedliche Weise ausgeübt: ständiges Nachfragen, Überwachung, Genehmigungen und falsch eingesetzte Eigeninitiative. Letztere kommt dann ins Spiel, wenn Vorgesetzte statt eine Aufgabe zu erklären, diese selbst machen – und dies andauernd.
Es kann übrigens vorkommen, dass Mitarbeiter*innen Micromanagement betreiben. In diesem Fall geben diese Aufgaben nicht ans Team weiter oder fragen Kolleg*innen um Hilfe, sondern wollen alles selbst erledigen.
Und manche Firmen haben Micromanagement – oft historisch begründet – in ihrer Unternehmenskultur verankert. Das drückt sich dann in zu vielen Hierarchiestufen, komplizierten Genehmigungs- und Bearbeitungsprozessen und wenig Eigenverantwortung der Angestellten aus.
Was verursacht Micromanagement?
Ursachen für das Micromanagement gilt es viele und die meisten liegen bei Führungskräften. Aber nur selten ist Micromanagement angebracht und sinnvoll.
Angst vor Kontrollverlust
In den meisten Fällen von Micromanagement haben Vorgesetzte Angst, die Kontrolle zu verlieren. Sie wollen mit ständigem Einmischen versuchen, jeden Arbeitsschritt selbst zu überwachen. Hintergrund ist die Sorge, dass Fehler gemacht werden und sie für diese verantwortlich sind. Sie sind getrieben von Fehlervermeidung, die aber in der Regel genau das Gegenteil zur Folge hat.
Versagensängste
Hintergrund der Angst vor Kontrollverlust ist meistens die Panik zu versagen. Dieses Versagen ist eine subjektive Wahrnehmung. Denn wenn einmal etwas schiefgeht, bricht nicht gleich die Welt zusammen. Wer aber als Führungskraft nicht ausreichend ausgebildet wurde, läuft Gefahr, die eigene Position falsch zu verstehen. Führung wird als Aufgabe gesehen, die Fehler vermeiden muss. Das ist eine antiquierte, aber immer noch weitverbreitete Auffassung.
Fehlendes Vertrauen
Wenn Führungskräfte ihren Mitarbeiter*innen nicht vertrauen, dann führt das meistens zu Überwachung und übersteigerter Kontrolle. Auch hier ist es eher ein subjektives Empfinden von Vorgesetzten, und es gibt eigentlich keinen Anlass oder Rechtfertigung dafür. Das fehlende Vertrauen ist meistens eine Projektion der eigenen Ängste.
Mangelndes Selbstvertrauen
In eine Führungsposition gebracht zu werden ist für manche Vorgesetzten eine Herausforderung, der sie eigentlich nicht gewachsen sind. Das kommt häufig dann vor, wenn jemand intern befördert wird und plötzlich die eigenen Kolleg*innen führen soll. Wenn es zuvor keine Weiterbildung in Personalführung gegeben hat, verfallen manche Vorgesetzte in alte Muster: Sie trauen sich nicht zu, Aufgaben abzugeben und reißen diese an sich. Es braucht viel Selbstbewusstsein, um Vertrauen (und Arbeit) an die Mitarbeiter*innen weiterzugeben und sich selbst auf eine leitende und steuernde Position zu verlegen. Wer sich nicht selbst vertraut, wird auch den Mitarbeiter*innen nicht so einfach vertrauen. Und das führt dann schnell zu andauerndem Micromanagement.
Falsche Rückschlüsse aus Fehlern
Nicht jede Firma hat eine Fehlerkultur, in der Fehler als etwas wahrgenommen werden, was passieren kann und Ansporn ist, Dinge besser zu machen. Zu oft gibt es eine geradezu panische Angst, Fehler zu machen. Und wenn diese dann doch passieren, werden die Zügel noch mehr angezogen.
Ein Beispiel: In einer Produktionsstraße hat jemand eine falsche Einstellung gesetzt, weil sie oder er bereits den dritten Tag Überstunden gemacht hat und übermüdet ist. Das sorgte für einen zeitweisen Produktionsausfall. Statt das Problem der Überstunden anzugehen, müssen nun Einstellungsänderungen der Abteilungsleitung gemeldet und von dieser überprüft werden. Dieses Micromanagement wiederum verlangsamt alle Prozesse auf Dauer, was aber nicht gesehen wird.
Selbstüberschätzung
Bei inhabergeführten Unternehmen und bei erfolgsverwöhnten Manager*innen kann es zu einer kompletten Selbstüberschätzung kommen, die sich dann darin äußert, dass diese alle Aufgaben selbst übernehmen wollen – oder sich scheinbar zufällig Aufgaben annehmen, ohne das abzusprechen. Diese Menschen sind im festen Glauben, dass sie besser sind als Kolleg*innen und Mitarbeiter*innen und sie damit das Recht haben, über deren Köpfe hinweg zu entscheiden.
Beispiele für Micromanagement in Unternehmen
Es dauert manchmal etwas bis auffällt, dass in einem Unternehmen Micromanagement betrieben wird. Neue Mitarbeiter*innen entdecken, dass hinter den eingeschliffenen Arbeitswegen eigentlich eine Kontrolle steckt, die die Produktivität verringert. Oder die Fluktuation steigt über den Durchschnittswert an, die Absätze sinken, die Innovationskraft lässt nach. Es kann sogar zu offenen Streitereien kommen, wenn der Frust zu groß wird.
Wenn Fürhungskräfte Micromanagement betreiben
- In einem Verlagsunternehmen in Hessen wurde eine neue Online-Abteilung aufgebaut, aus drei bereits vorhandenen Mitarbeiter*innen. Der dienstälteste wurde Leiter der Abteilung. Er begann sofort Pläne zu schreiben, wer welche Tätigkeiten ausübt, welche Formulare benutzt werden müssen und dass er alle E-Mails in Kopie haben möchte. Kein Text durfte ohne Genehmigung online gehen, nicht einmal Änderungen. Gleichzeitig schickte er auch nach Arbeitsende noch E-Mails und SMS-Nachrichten an die Mitarbeiter*innen, sogar am Wochenende. Er führte Tätigkeiten selbst durch, die eigentlich in die Verantwortung der Angestellten fielen, ohne diesen Bescheid zu geben. Nach einem Jahr kündigten beide Mitarbeiter*innen.
- Beim Schweizer Jobvermittler Adecco soll es eine Massenflucht in der Kommunikationsabteilung gegeben haben, weil der Chef Micromanagement betrieb. Angestellte warfen ihm vor, der Chef lasse sie nichts selber machen.
- Inhabergeführte Firmen laufen besonders Gefahr, Micromanagement zu betreiben. Die Führungskraft gibt dann als Begründung an, man habe schließlich die Verantwortung über das Unternehmen und müsse wissen, was in der eigenen Firma vor sich geht. Auch hier finden sich die beiden Grundübel des Micromanagement: Kontrollwut und alles selbst machen wollen. Da werden Tagesberichte eingeführt, die wertvolle Zeit kosten und plötzlich platzt der Firmeninhaber in ein Kundengespräch hinein und übernimmt die Gesprächsführung. Das ist nicht unbedingt böse Absicht: Wer die Firma aufgebaut hat, glaubt, sie oder er könne es einfach besser – und vergisst dabei, dass es ohne kompetente Mitarbeiter*innen keine erfolgreiche Firma gäbe.
Wenn Mitarbeiter*innen Micromanagement anwenden
- In einem Online-Versand arbeitet ein Team von fünf Angestellten im Kundendienst. Eine Mitarbeiterin hat die Aufgabe, die Tagesberichte zusammenzufassen und dann kurz vor Feierabend an die Geschäftsführung weiterzuleiten. Sie nimmt diese Aufgabe aber so wahr, dass sie in alle Kundengespräche involviert sein muss. Sie verlangt nach jedem Gespräch einen Bericht, statt wie vorher üblich eine Zusammenfassung der wichtigsten Angelegenheiten zu bekommen. Als sie zunehmend auch neben den Kolleg*innen bei Gesprächen steht, bitten diese um ein Gespräch mit der Geschäftsleitung.
- Dass Mitarbeiter*innen Micromanagement betreiben kommt seltener vor, meistens wenn sie eine Rolle ausfüllen, die entweder nicht klar definiert ist oder der sie nicht gewachsen sind. Darin steckt ein großes Konfliktpotenzial, weil es hier nicht um ein Vorgesetztenverhältnis geht, sondern um ein kollegiales. Emotionen spielen unter Umständen eine noch größere Rolle, weil man sich im Stich gelassen fühlt.
7 Gründe, warum Micromanagement schlecht für den Arbeitsplatz ist und wie man es beheben kann
Micromanagement ist für jedes Unternehmen schädlich. Es ist eine antiquierte Form des Top-to-bottom-Managements, das in der modernen Arbeitswelt eigentlich nichts mehr zu suchen hat. Und dennoch finden man es noch häufig. Der Management-Guru Peter Drucker hatte schon davor gewarnt, die Lücke zwischen Management und Belegschaft zu groß werden zu lassen: “Sparen Sie nicht an Informationen, sondern kommunizieren Sie Ihre Pläne. Dabei sollten Sie auch untergebene Mitarbeiter nicht ausschließen.” Wer seine Mitarbeiter*innen im Dunklen lässt und diese nur kontrolliert, kann dauerhaft Schaden anrichten.
1. Motivation lässt nach
Wer ständig kontrolliert und verbessert wird und kaum Eigenverantwortung tragen darf, wird sich irgendwann nach dem Sinn der Arbeit fragen. Heute sind Angestellte oft fachlich qualifizierter als Vorgesetzte, und wenn sie ihre Fähigkeiten ständig rechtfertigen müssen, wird irgendwann die Motivation sinken. Wer keine Lust mehr auf die Arbeit hat, macht Fehler und ist weniger produktiv – und wird öfter krank.
2. Produktivität sinkt
Wenn Beschäftigte ständig kontrolliert werden und in ein starres Konzept von Regeln und Vorschriften gepresst werden, ist eine geringere Mitarbeiterproduktivität keine Überraschung. Es gibt kaum Gründe, mehr und besser zu arbeiten, und so verlegen sich die meisten auf den “Dienst nach Vorschrift.” Es wird nur gemacht, was angeordnet wird.
3. Weniger Kreativität
Moderne Unternehmen leben von den Ideen und Einfällen ihrer Mitarbeiter*innen. Diese können neue Produkte auf den Markt bringen, Arbeitsabläufe verbessern und Kosten sparen. Dafür braucht es aber auch die notwendigen Freiräume, Ideen zu produzieren, zu diskutieren und vielleicht auch wieder zu verwerfen. Wer eine Führungskraft hat, die für sich die Ideenproduktion in Anspruch nimmt, wird sich selbst eher zurücknehmen.
4. Hoher Krankenstand
Micromanagement führt zu Frustration von Mitarbeiter*innen, weil sie sich nicht entfalten können. Wer sich nur mit Mühe ins Büro schleppt und keine Erfüllung mehr in der täglichen Arbeit sieht, wird öfter krank werden. In manchen Fällen kann diese Frustration auch Depressionen fördern, weil Mitarbeiter*innen die Kontrollwut als gegen sich persönlich gerichtet wahrnehmen.
5. Fehler nehmen zu
Ständige Kontrolle durch Vorgesetzte kann dazu führen, dass sich Arbeitnehmer*innen darauf verlassen und weniger aufmerksam arbeiten. Das kann eine höhere Fehlerquote zur Folge haben, sowohl durch Ausschuss in der Produktion als auch in der Dienstleistungsbranche, wenn zum Beispiel Rechnungen falsch ausgestellt oder Angebote zu niedrig abgegeben werden.
6. Kaum noch Loyalität
Angestellte, die ständig kontrolliert werden, verlieren das Vertrauen in das Unternehmen – weil sie spüren, dass ihnen auch kein Vertrauen entgegengebracht wird. Das kann bedeuten, dass sie bei der ersten Jobofferte eines Mitbewerbers abspringen – und damit erhöht sich die Fluktuation im Unternehmen. Sie sind weniger dazu bereit Überstunden in Krisenzeiten zu leisten, empfehlen den Arbeitgeber nicht weiter und geben im schlimmsten Fall interne Informationen an die Konkurrenz.
7. Führungskräfte werden ihrer Rolle nicht gerecht
Den ganzen Tag E-Mails und Berichte lesen ist nicht die Aufgabe von Führungskräften. Stattdessen sollen sie Mitarbeiter*innen unterstützen, ihnen einen Rahmen schaffen, in dem diese bestmöglich arbeiten können.
Das können Sie gegen Micromanagement tun
Selten ist Micromanagement eine böse Absicht. Es ist eher eine falsch verstandene Form der Führung, und dagegen kann man etwas tun. Allerdings muss die Bereitschaft vorhanden sein, das Problem zu benennen und aktiv an einer Lösung zu arbeiten. Dabei geht es nicht um Beschuldigungen, sondern um ein gemeinsames Erarbeiten von Alternativen. Idealerweise sind dabei Geschäftsführung, Vorgesetzte und Mitarbeiter*innen eingebunden. Bei großen Unternehmen und einem systematischen Micromanagement kann auch der Betriebsrat mit einbezogen werden.
Definieren Sie Rollen von Führungskräften
Wer in eine Führungsposition kommt, sollte wissen, was von ihr oder ihm erwartet wird und was nicht. Eine Führungsposition sollte eine klare Stellenbeschreibung haben. Gleichzeitig sollte ein Unternehmen auch Richtlinien der Führung haben, zum Beispiel wie Teams aufgestellt sind, welche internen Berichtsvorgaben es gibt und wie die Eigenverantwortung von Mitarbeitern geregelt ist.
Bilden Sie Führungskräfte aus
“Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen” sagt ein Sprichwort, und auch Führungskräfte werden nicht als solche geboren. Wenn es interne Beförderungen gibt, sollte diese Personen Managementseminare besuchen und sich in Sachen Führung entsprechend der Unternehmenskultur weiterbilden. Bei Neueinstellungen lohnt es sich, im Interview den Führungsstil zu besprechen (und eventuell bei den Referenzen nachzufragen).
Gemeinsames Gespräch suchen
Eine Belegschaft muss nicht jahrelang unter Micromanagement leiden. Statt den Frust immer größer werden zu lassen, sollte ein Gespräch gesucht werden. Das kann ein Betriebsrat organisieren, eine Vertrauensperson/Obleute oder man geht einfach direkt zur Geschäftsleitung und bittet um einen Termin. Wichtig ist, dass nicht die Konfrontation gesucht wird, sondern eine gemeinsame Lösung. Die Geschäftsführung sollte in diesem Fall eine moderierende Rolle einnehmen und bei der Konfliktlösung mithelfen.
Wenn es Probleme einzelner Mitarbeiter*innen mit Kollegen*innen oder direkten Vorgesetzten sowie der Teamleitung gibt, kann auch ein Vier-Augen-Gespräch versucht werden. Angestellte sollten dabei erklären, dass sie unter den gegebenen Bedingungen ihre Fähigkeiten nicht voll entfalten können und um mehr Eigenverantwortung sowie weniger Kontrolle bitten. Führt das Gespräch zu keinem Fortschritt, muss die Angelegenheit der Geschäftsführung vorgetragen werden.