Als die Maschinen begannen, die Arbeit von Menschen zu verrichten, konnte die Produktivität eines Unternehmens recht einfach gesteuert werden. Man ließ sie länger laufen oder kaufte neue Maschinen. Einige wurden verbessert und konnten mehr produzieren. Heute haben wir zwar immer noch einen großen Anteil an maschineller Produktion, aber Wissensarbeit von Menschen hat wieder an Bedeutung zugenommen. Die Mitarbeiter*innen-Produktivität hat einen entscheidenden Anteil am Unternehmenserfolg.
Menschen sind aber komplexer als Maschinen, und ihre Aufgaben sind vielfältiger. Wer heute nicht gerade in einer Fertigungsstraße sitzt, wird jeden Tag neue Herausforderungen haben und ständig Neues lernen müssen. Die Produktivität eines Menschen kann zwar gemessen werden, ist aber nicht so einfach zu steuern wie die einer Maschine.
Da Produktivität mehrere Aspekte hat, haben wir für Sie diesen kleinen Leitfaden zur Mitarbeiter*innen-Produktivität erstellt, der einige Nebenaspekte behandelt und Ihnen Beispiele aus der Praxis gibt. Ein Beispiel ist der Konzern Henkel, der zur Steigerung der Arbeitsproduktivität unter anderem auf digitale Transformation setzt. Der Chief Digital & Information Officer Michael Nilles setzt auf neue Wege, um mehr aus der Arbeit herauszuholen: Lean. Fast. Simple. Aus der IT-Welt kann man lernen, Prozesse schneller zu machen und Arbeitsabläufe zu verschlanken, um die Produktivität zu erhöhen. Eine große Rolle wird in naher Zukunft die künstliche Intelligenz spielen.
Die Produktivität der Mitarbeiter*innen berechnen
Die Produktivität wird grundsätzlich für alle Produktionsprozesse gleich berechnet. Dafür brauchen Sie nur zwei Datengrößen, nämlich den Einsatz (Input) und das Ergebnis (Output).
Die Formel für Produktivität ist dann:
Produktivität = Einsatz / Ergebnis
Bei einer Maschine wäre ein Beispiel wie folgt: Sie produziert 2000 Bleche in acht Stunden. Die Produktivität beträgt pro Stunde 250.
Wie Sie in diesem Beispiel sehen, hängt die Produktivität von den Parametern ab, die Sie verwenden. Bei einer Maschine ist es die Zahl der Produkte, bei Menschen ist das aber etwas schwierig zu messen.
Für die Mitarbeiter*innen-Produktivität im Verkauf können Sie zum Beispiel die Anzahl der Mitarbeiter*innen und die Lohnkosten als Messzahl nehmen. Nehmen wir an, Sie haben 5 Mitarbeiter*innen im Verkauf, die in einem Monat 200.000 Euro Umsatz machen. Sie arbeiten an 20 Tagen, insgesamt werden also 100 Arbeitstage aufgewendet. Wenn Sie die 200.000 Euro Umsatz durch die Arbeitstage teilen und dann wiederum durch die Zahl der Mitarbeiter*innen, kommen Sie auf 400 Euro. Das ist rechnerisch die Produktivität eines*einer Mitarbeiter*in pro Tag.
Produktivität muss aber nicht immer in Geld ausgedrückt werden. Manchmal wollen Sie wissen, wie produktiv Ihre Programmierer*innen sind. Nehmen wir an, die haben 10 Programmierer*innen, die eine Woche lang arbeiten, 5 Tage pro Woche. Damit haben Sie 50 Arbeitstage, in denen sie 2500 Zeilen Code schreiben. Wenn Sie jetzt die 2500 zuerst durch die Arbeitstage und dann durch die Zahl der Mitarbeiter*innen teilen, kommen Sie auf eine Kennzahl für die Mitarbeiter*innen-Produktivität von 50.
2500 Codezeilen / 5 Tage / 10 Mitarbeiter*innen = 50 Zeilen Code pro Tag pro Mitarbeiter*innen
Auch wenn das in etwa der Industriedurchschnitt ist, sagt Ihnen eine Zahl alleine nicht viel aus. Denn letztlich werden Sie die Entwicklung der Produktivität in Ihrem Unternehmen verfolgen müssen, um verlässliche Aussagen treffen zu können. Branchenvergleiche sind dabei ein guter Benchmark, aber jedes Unternehmen arbeitet anders.
Kennzahlen für die Mitarbeiter*innen-Produktivität
Deshalb sind Kennzahlen wichtig, die für die Messung der Produktivität von Mitarbeiter*innen verwendet werden. Diese können sein:
- Anzahl der Mitarbeiter*innen
- Arbeitsstunden oder -tage
- Zahl der Produkte
- Umsatzerlöse
- Geleistete Dienste (versorgte Patient*innen, gereinigte Gebäude, geleistete Buchungen etc.)
Solange es sich um messbare Einheiten handelt, die vergleichbar sind, können Sie daraus eine Produktivität ableiten. Bei einer Firma, die Werbekonzepte plant, wird es eher schwer, die Produktivität einzelner Mitarbeiter*innen zu messen. Hier können Sie zum Beispiel die Zahl der Mitarbeiter*innen an einer Kampagne als Kennzahl nehmen, und wie hoch die Erlöse sind.
Wie man die Mitarbeiter*innen-Produktivität erhöhen kann
Die modernen Wissensarbeiter*innen haben zwar noch eine Vorgabe, wie viele Tage pro Woche oder Monat sie arbeiten, aber sie werden nicht nach Stunden bezahlt. Sie produzieren nicht wie eine Maschine Produkte, sondern Ideen und verarbeiten Informationen. Wenn Sie jetzt einfach die Wochenarbeitszeit erhöhen, werden sie nicht zwangsläufig produktiver werden. Denn mehr Arbeitszeit bedeutet Erschöpfung und mehr Fehler. Zeit ist also nur dann ein Faktor, wenn ein größeres Projekt unbedingt fertig gestellt werden muss.
Um zu wissen, wie Sie die Produktivität von Mitarbeiter*innen beeinflussen können, müssen Sie verstehen, welche Faktoren sie beeinflussen. Was macht eigentlich Menschen produktiver?
Wenn es nach einer Studie der Universität Oxford geht, dann ist Glücklichsein ein wichtiger Faktor für die Mitarbeiter*innen-Produktivität. Deren Wissenschaftler befragten über einen Zeitraum von einem halben Jahr jede Woche lang fast 2000 Mitarbeiter*innen in einem Call-Center, wie sie sich fühlen. Dann verglichen sie die Bewertungen mit der Arbeitsleistung, in diesem Fall Vertragsabschlüsse. Das Ergebnis: In Wochen, in denen sich die Call-Center-Angestellten glücklich fühlten, machten sie 13 Prozent mehr Abschlüsse. Wohlbefinden spielt also eine große Rolle bei der Produktivität.
Übrigens untersuchte man ebenso externe Faktoren, um zu wissen, was das Wohlbefinden vermindern kann. Und dabei spielte das Wetter eine Rolle – bei schlechtem Wetter war auch die Stimmung schlecht.
Zu den wichtigsten Faktoren für Wohlbefinden am Arbeitsplatz gehören:
Arbeitsumfeld
Zum Arbeitsumfeld gehören nicht nur der direkte Arbeitsplatz, sondern auch die Abläufe und die Kolleg*innen. Sie können das Verhältnis zu Vorgesetzten und die interne Kommunikation in Ihrem Unternehmen dazu zählen. Je angenehmer das Arbeitsumfeld empfunden wird umso motivierter und letztlich produktiver sind die Mitarbeiter*innen.
Unternehmenskultur
Die Unternehmenskultur spielt eine große Rolle, wenn es um das Wohlbefinden der Arbeitnehmer*innen geht. Zum einen wollen sie natürlich in einem angenehmen Betriebsklima arbeiten, zum anderen ist dies aber nur möglich, wenn es eine entsprechend als positiv empfunden Unternehmenskultur gibt. Mitarbeiter*innen, die sich mit ihrer Firma, den Werten und der Mission identifizieren können, werden sich am Arbeitsplatz wohler fühlen und entsprechend in der Lage sein produktiver zu arbeiten.
Individuelle Anreize zur Motivation
Es gibt viele unterschiedliche Möglichkeiten individuelle Anreize für Mitarbeiter*innen zu schaffen. Das Gehalt ist aber nur ein Faktor. Wichtiger ist, dass Angestellte das Gefühl haben, sich im Unternehmen weiterentwickeln zu können. Wenn Sie Angebote wie Teambuilding und Weiterbildungsmaßnahmen machen, werden Mitarbeiter*innen das sehr schätzen. Dabei spielt es eine große Rolle, dass diese Angebote personalisiert sind. Ihre Mitarbeiter*innen möchten das Gefühl haben, als Mensch wahrgenommen und gefördert zu werden.
Zeitmanagement und Arbeitszeitkonzepte
Wie in den verschiedenen Formeln schon angezeigt spielt die Arbeitszeit natürlich eine Rolle bei der Bemessung der Produktivität. Da hilft es aber nicht, einfach nur die Arbeitsstunden zu erhöhen. Effektiver ist ein modernes Zeitmanagement, in dem sich Mitarbeiter*innen ihre Freiräume schaffen können. So muss es zum Beispiel möglich sein, sich in einem gemeinsamen Unternehmenskalender bestimmte Zeiten blockieren zu können, in denen man besonders fokussiert arbeiten möchte. Flexible Arbeitszeiten bedeutet, dass man nicht jeden Tag von 9:00 Uhr morgens bis 17:00 Uhr abends im Büro sein muss. Moderne Konzepte beinhalten Wochen- und sogar Monatsstundenkonten.
Wenn Sie ganz mutig sein wollen, können Sie der neuseeländischen Firma Perpetual Guardian folgen. Diese hat eine Vier-Tage-Woche eingeführt und nach Aussagen ihres Gründers Andrew Barnes die Produktivität der 250 Mitarbeiter*innen steigern können. Er führte eine Formel ein, die Mitarbeiter*innen motivieren sollte: 100 Prozent Lohn bei 80 Prozent Zeit, wenn die Produktivität mindestens weiterhin 100 Prozent beträgt. Das Ergebnis: Die Mitarbeiter*innen sind doppelt so produktiv wie die der Konkurrenz.
Selbstorganisation
Je größer ein Unternehmen, umso umfangreicher sind die Vorgaben was Arbeitsprozesse angeht. Zum einen haben Prozesse den Vorteil einen Standard einzuführen, der letztlich der Mitarbeiter*innen-Produktivität dient. Zum anderen wollen aber moderne Wissensarbeiter*innen die Möglichkeit haben, sich zu einem gewissen Grad selbst zu organisieren. Je mehr Verantwortung ein*e Mitarbeiter*in für die Gestaltung seines*ihres Arbeitsbereichs hat, umso effektiver kann er*sie arbeiten. Ein Beispiel: jeder hat bestimmte Aufgaben, die man besser morgens oder besser am Nachmittag erledigen kann. Wenn man das selbst einteilen kann, werden diese Aufgaben besser gelöst, als wenn es von der Abteilungsleitung angeordnet wird.
Verantwortung
Wir sind in der modernen digitalen Wirtschaft heute Expert*innen auf unserem Gebiet. Gerade hochqualifizierte Fachkräfte sind durchaus in der Lage ihre Arbeit selbst beurteilen zu können. Sie wollen die Verantwortung für Projekte haben und das Vertrauen, dass sie in der Lage sind ein solches Projekt stemmen zu können. Für die Mitarbeiter*innen bedeutet Verantwortung zu bekommen, dass ihnen das Unternehmen vertraut und ihre Arbeit und Qualifikation zu schätzen weiß. Natürlich wird es aber immer Beschäftigte geben, die nicht über Verantwortung motiviert werden können. Für sie werden Sie dann andere Maßnahmen benötigen.
Home-Office
Home-Office Lösungen können Sie in Ihrem Unternehmen einführen, um den Mitarbeiter*innen zu zeigen, dass Sie zu flexiblen Lösungen bereit sind. Es geht dabei nicht darum, Ihre Leute fünf Tage in der Woche von zu Hause aus arbeiten zu lassen. Die meisten Angestellten würden heute gerne 2–3 Tage von zu Hause arbeiten, schätzen aber nach wie vor den regelmäßigen Austausch und persönlichen Kontakt mit den Kolleg*innen. Das Angebot von Home-Office ist aber ein deutliches Zeichen, dass Sie die Bedürfnisse Ihrer Mitarbeiter*innen kennen und ihnen entgegenkommen.
Mitarbeiter*innen-Daten
Eine indirekte Methode der Produktivitätssteigerung sind Mitarbeiter*innen-Daten und deren Auswertung. Das reicht von Befragungen über die Mitarbeiter*innen-Zufriedenheit bis zur Analyse von Krankheitstagen und der Fluktuation. Wenn Arbeitnehmer*innen häufig krank sind oder plötzlich mehr Beschäftigte das Unternehmen verlassen, kann das mit der Stimmung zusammenhängen – und ist die schlecht, sinkt die Mitarbeiter*innen-Produktivität. Hier werden Sie manchmal individuell einschreiten und Gespräche mit den Betroffenen über ihre Situation führen müssen.
Produktivität der Mitarbeiter*innen im Home-Office
Spätestens seit der Corona-Krise ist das Home-Office ein weit verbreiteter Arbeitsplatz geworden. Arbeiten von Zuhause aus hatte immer den schlechten Ruf, dass die Mitarbeiter*innen dort nicht so produktiv sind wie im Büro. Das ist aber nicht der Fall.
Schon 2016 hatte das US-Unternehmen Tinypulse in einer Befragung festgestellt, dass Heimarbeiter*innen glücklich und produktiv sind. Über 90 Prozent gaben an, zu Hause produktiver zu sein als am Arbeitsplatz im Unternehmen, und der Zufriedenheitswert für das Wohlbefinden lag höher als bei den Kolleg*innen im Büro.
Eine andere Studie konnte sogar detailliert nachweisen, wie gut in den eigenen vier Wänden gearbeitet wird. Angestellte der chinesischen Reisefirma Ctrip wurden bewertet und performten 13 Prozent besser. Allerdings lag dies vor allem daran, dass sie weniger Pausen machten und seltener krank waren.
In einer DAK Studie von 2020 hatten 56 Prozent der Befragten ebenfalls angegeben, im Home-Office produktiver zu sein.
Gründe, warum die Mitarbeiter*innen-Produktivität im Home Office höher liegt, gibt es viele:
- Es wird de facto mehr gearbeitet (kurze Pausen, kein Schwätzchen in der Teeküche)
- Es gibt keine Ablenkung durch Kolleg*innen
- Angestellte können sich selbst organisieren
- Man kann sich besser konzentrieren
- Es gibt keine stressige Anreise, und man ist nach der Arbeit schon zu Hause
- Familie und Beruf lassen sich besser vereinen, das sorgt für mehr Ausgeglichenheit
Allerdings gibt es auch produktivitäts-hemmende Faktoren:
- Menschen, die gerne im Team arbeiten, fühlen sich alleine und frustriert
- Wer nur Aufgaben abarbeitet, kann schneller müde werden
Durch die Coronavirus Lockdowns wurden Firmen gezwungen, schnell auf Home-Office umzustellen, ohne dafür wirklich Konzepte zu haben. Entsprechend wenig überraschend ist, dass nach einer Umfrage des Ifo-Instituts im Oktober 2020 nur 5,7 Prozent der befragten Unternehmer sagten, sie hätten eine Steigerung der Produktivität festgestellt. 30 Prozent gaben keine Veränderung oder gar sinkende Produktivität an.
Die Studie wurde von der Stiftung Familienunternehmen in Auftrag gegeben. Deren Deutung der Zahlen: „Die Erklärung für die geringere Produktivität mag darin liegen, dass Unternehmen ein sozialer Ort sind. Hier tauschen sich Menschen aus, lernen voneinander und helfen sich gegenseitig. Der persönliche Kontakt der Mitarbeiter*innen untereinander schafft eine Dynamik und Innovationskraft, die Videokonferenzen nicht ersetzen können.“
Wo und wie Mitarbeiter*innen-Produktivität als Kennzahl eingesetzt werden kann
Wie viele andere Kennzahlen ist die Mitarbeiter*innen-Produktivität nur ein Faktor für unternehmerische Entscheidungen. Gerade in der modernen Wissensgesellschaft wird es immer schwieriger die Produktivität von kreativen Arbeitsvorgängen zu erfassen. Unbestritten ist, dass sich Produktivitätskennzahlen dann besonders auszeichnen, wenn es um die Produktion von bestimmten Produkten innerhalb eines Zeitraums geht oder an Erlösen gemessen werden soll. Dienstleistungen können ebenso mit der Produktivität auf ihre Effektivität hin untersucht werden.
Produktivität spielt heute als Kennzahl im modernen Büro immer dort eine Rolle, wo es um Entwicklungen und Abweichungen geht. Sie können damit über einen längeren Zeitraum sehen, wie gut Ihre Mitarbeiter*innen performen. Sollte die Produktivität nach unten gehen, dann können Sie versuchen, die Gründe herauszufinden und entsprechend gegensteuern. Übrigens kann eine sehr hohe Produktivität ein Warnsignal sein: Dann nämlich, wenn Mitarbeiter*innen zu viele Stunden im Büro verbringen. Irgendwann werden sie ausgelaugt sein und an Burnout Symptomen leiden. In den meisten Fällen ist eine höhere Produktivität natürlich gewollt und angestrebt, gerade wenn sie auf hoch motivierten und engagierten Mitarbeiter*innen beruht.